Wer die Wahl hat, hat die Qual

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Es gibt Sprichwörter, die gehen einem leicht und schnell über die Lippen. Und zielen deshalb oft auch etwas am Thema vorbei. Im Fall, den ich in dieser Tribüne kurz beleuchten will, trifft allerdings ein Sprichwort den Nagel auf den Kopf: Wer die Wahl hat, hat die Qual.

Ende September sind den Stimmberechtigten die Unterlagen für die Nationalratswahlen ins Haus geflattert. Dicke Post: 44 Listen, 12 mehr als 2019. Und erstmals bewerben sich mehr als tausend Kandidat:innen, genauer gesagt 1341 (für 36 Sitze). Wobei: Bewerben sich diese Personen wirklich ernsthaft? Nicht alle, besonders jene, die auf eine der inflationären Unterlisten einer etablierten Partei kandidieren, wissen, dass es mit dem Sprung nach Bern nichts werden wird. Diese «Staubsauger-Listen» dienen vor allem dazu, irgendwo noch ein paar Stimmen zusammen zu wischen, die bei der Sitzverteilung der Hauptliste zugute kommen.

Qual der Wahl auch bei den Listenverbindungen: Wer geht mit wem? Die FDP zum Beispiel mit der SVP. Diese hätte am liebsten auch noch die Listen der Corona-Leugner:innen eingebunden. Da machte aber die FDP nicht mit: Die Ideen der Nebenbuhlerin wolle man nicht mit einer Listenverbindung legitimieren. Andere wiederum behaupten, Listenverbindungen habe mit Politik nichts zu tun, es gehe nur um Arithmetik. So werden Wahlen ad absurdum geführt.

Da lob ich mir die Wahlen im Kanton Zürich. Bei den Kantosratswahlen 2022 gab es gerade mal 13 Listen mit total 1687 Kandidierenden (für 180 Sitze). Eine Gezerre um Listenverbindungen gab es nicht, weil die gibt es bei kantonalen Wahlen nicht, denn gewählt wird nach dem «Doppelten Pukelsheim». Und diesem Wahlsystem liegt ein einfacher Gedanke zugrunde: Jede Partei tritt für ihre Ideen und Überzeugungen alleine an. Und am Ende erhält jede Partei, die die Sperrklausel überspringt, genau so viele Sitze, wie sie anteilmässig Wähler:innen überzeugt hat. Logisch, klar und einfach.

Ich bin überzeugt, dieses Wahlsystem ist für die Wählenden von Vorteil, «mehr» ist nicht immer «besser», insbesondere wenn es so viele «Scheinkandidie­rende» gibt wie im Oktober. Am besten wäre deshalb die Einführung des «Doppelten Pukelsheim» auch auf nationaler Ebene. Das würde die Wahlentscheidung wieder auf ihren Kern zurückführen: Wer vertritt meine Werte und Überzeugungen am besten? Für viele Wählende ist das für sich allein ja schon Qual der Wahl genug.

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