Markus Wanner: «Der Ton in der Ustermer Politik hat sich verhärtet»

Markus Wanner

In jüngster Zeit häufen sich in der Ustermer Politik Einsprachen, Rekurse, Beschwerden und Ausstandsbegehren. Statt sich demokratisch mit Argumenten auseinanderzusetzen, wird versucht, politisch Andersdenkende zu behindern und mundtot zumachen. Diese Entwicklung muss zur Sorge Anlass geben, meint SP-Fraktionspräsident Markus Wanner und ruft in einer Fraktionserklärung dazu auf, wieder vermehrt die politische statt die persönliche Auseinandersetzung zu führen.

Bitte hören Sie genau zu: «Die Unterbindung eines kommunalen, demokratischen Beschlusses durch einen übergeordneten Volksbeschluss ist bedauerlich». Sie fragen sich, wer eine solche Aussage gemacht hat? Welche Exekutive sich daran stört, dass ein auf kantonaler Ebene gefällter Volksentscheid kommunale Pläne verhindert? Suchen Sie nicht zu weit! Die erwähnte Regierung befindet sich in diesem Saal. Dieses Statement wurde vom Ustermer Stadtrat in der Beantwortung der Anfrage «Eschenbüel» gemacht. Eine solche Stellungnahme stimmt mich nachdenklich, sie beschäftigt mich sehr und löst einige Fragen bei mir aus: Verstehe ich das Wort Demokratie falsch? Was ist eine Volksmeinung wert? Wie steht der Ustermer Stadtrat zu den Grundwerten Demokratie und Volksmeinung? 

Ich habe deshalb die letzten Monate unserer kommunalen Politik Revue passieren lassen, im Speziellen das Verhältnis und der Umgang im Gemeinderat und zwischen dem Gemeinderat und dem Stadtrat. Mein Fazit: Wir haben im letzten Jahr zusammen einiges erreicht, aber der Umgangston hat sich verhärtet. In vielen Diskussionen wurden mehrheitsfähige Lösungen gesucht und gefunden. Es hat auch Geschäfte gegeben, bei denen keine gemeinsame Lösung gefunden wurde. Dies oft deshalb, weil die Meinungen zu weit auseinanderlagen oder die politischen Mitstreiter zu fest zerstritten waren. Wir erinnern uns an emotionale Diskussionen im Gemeinderat, an viele Einsprachen und Beschwerden. Auch versuchte man wiederholt mit Ausstandspflicht-Anträgen den politischen Gegner zu schwächen. Ich denke da an das Geschäft Beschwerde in Sache Volksinitiative Uster West. Die Begründungen des Ausstandsbegehrens, Sie erinnern sich, waren diffamierend, obwohl die Sachlage rechtlich klar war. Als Ausstandsgrund gelten nur persönliche Interessen und die sind meistens nicht gegeben. Wenn man das Mittel der Ausstandspflicht weiterhin so inflationär einsetzt, schliessen wir alle Mitarbeitenden in kommunalen oder kantonalen Institutionen aus, weil die Befürworter der Ausstandspflicht der Meinung sind, dass in jedem Fall ein Interessenskonflikt besteht. 

 
Neustes Beispiel ist die Besetzung eines Mitgliedes für den Zweckverband Spital Uster. Die SP nominierte mit Kathrin Agosti eine profunde Kennerin des Gesundheitswesens. Weil sie aber eine kritische Denkerin ist, die ev. nicht der Mehrheit der Mitglieder des Zweckverbandes entsprechen könnte, suchten die SVP und die FDP nach Möglichkeiten, diese Wahl zu verhindern. Und sie finden einen Grund: Es ist eine Staatsangestellte, das geht natürlich nicht! Dabei hätte gerade dem Zweckverband eine Person gutgetan, die kritisch hinterfragt. Denn der Zweckverband hat bei der Abstimmung zur Privatisierung des Spitals total an der Bevölkerung vorbeipolitisiert. Interessant ist zu beobachten, dass Anträge zu Ausstandspflichten von bürgerlichen Parteien ergriffen werden. Diese Entwicklung ist sehr bedauerlich und bedenklich. Wir vermissen einen klaren Sachverstand. 
 
Ein anderes Thema ist der demokratische Umgang mit Einsprachen, Rekursen und Beschwerden. Zeughausareal, Turnhalle, Umfahrung Uster West. Es gab in den letzten 12 Monaten sehr viele Unmutsbezeugungen dazu. Eine Diskussion im Gemeinderat ist kein Problem, im Gegenteil, das macht Spass, wir sind gewählt zum Parlieren. Und man kann zu jedem Vorwurf sofort Stellung nehmen. Mittlerweilen legendär sind die Dispute von zwei Streithähnen. Da kann man die Sekunden zählen, bis die Diskussion persönlich wird, oftmals auch diffamierend und unter der Gürtellinie. Wir wünschen uns von beiden Seiten, dass auch bei emotionalen Themen die Sache im Vordergrund bleibt und persönliche Konflikte nicht im Rat austragen. 
 
Schwieriger wird es, wenn die Auseinandersetzungen in den Medien stattfinden. Die Gegenseite kann nicht Stellung nehmen. Aussagen und Wortspiele unseres Stadtpräsidenten im Regio wie «stopper», bei dem klar auf einen Parlamentarier geschossen wird, sind für das politische Klima nicht förderlich, im Gegenteil, sie giessen Öl ins Feuer. Dazu gäbe es noch mehr Beispiele. Der Stadtrat sollte sich seiner Rolle als Exekutivbehörde bewusster sein und professionelle Distanz halten. Es zeugt von schlechtem Stil, wenn er sich despektierlich in den Printmedien oder sozialen Medien über Parlamentarier äussert, weil diese anderer Meinung sind. In der Politik zählt nicht nur die eigene Meinung, die natürlich immer richtig ist! 
 
Diese Tendenz stellen wir auch in den Anträgen des Stadtrats fest. Da wird von ideologischen Grundhaltungen gesprochen, wenn man nicht der Haltung des Stadtrats entspricht, z.B. bei Parkierungsfragen. Oder in einer Beantwortung schreibt der Stadtrat von einem ausgewiesenen volkswirtschaftlichen Schaden, weil die Grünen eine Kulturlandinitiative lanciert haben. Er erwähnt nicht, dass diese Initiative von 55 % der Stimmberechtigten angenommen wurde. Das ist schlechter Stil. Der Stadtrat vertritt als Exekutive die ganze Bevölkerung, dem muss er sich bewusst sein und auch so handeln.

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