Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

25. November 2008

Berücksichtigung der IAO-Kernübereinkommen im städtischen Beschaffungswesen

Postulat von Maja Burger

Der Stadtrat von Uster wird eingeladen zu prüfen, wie im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens sichergestellt werden kann, dass alle Lieferantinnen und Lieferanten und Leistungserbringerinnen und -erbringer bei der Ausführung des Auftrags, die Bestimmungen der Kern-übereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation (IAO) einhalten.

Begründung:
Das Beschaffungsvolumen der Stadt Uster beträgt jährlich rund 40 Millionen Franken. Bund, Kantone und Gemeinden beschaffen pro Jahr für rund 36 Milliarden Franken verschiedenste Waren, Dienst- und Bauleistungen. Diese gewichtige Nachfragemacht bedeutet Verantwortung.

Bereits heute enthält das Beschaffungsrecht gewisse soziale Kriterien: Der Bund fasst die Instrumente zur Umsetzung ökologischer und sozialer Normen im öffentlichen Beschaffungswesen unter dem Begriff «Integrierte Produktepolitik» (IPP) zusammen. Produkte und Dienstleistungen sollen über ihren gesamten Lebenszyklus hohen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Anforderungen genügen, wie der Bundesrat in seinem Strategiebericht Nachhaltige Entwicklung 2002 dargelegt und in seiner Bilanz 2007 bekräftigt hat. Es ist insofern anerkannt, dass öffentliche Beschaffungen politisch gestaltet werden sollen.

Der Bundesrat beabsichtigt, dass in Zukunft bei Beschaffungen zumindest die acht von der Schweiz ratifizierten Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zum Schutz fundamentaler Arbeitsnormen von den Anbieterinnen und Anbietern eingehalten werden müssen. Die IAO hat diese Übereinkommen 1998 zum menschenrechtlichen Grundstandard erhoben. Sie betreffen u.a. das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Verbot der Zwangsarbeit, das Verbot der Kinderarbeit sowie die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz. Die Pflicht zur Einhaltung der IAO-Kernübereinkommen ist mit dem WTO-Recht vereinbar.

Auch die Stadt Uster kann und soll zu einem fairen Welthandel beitragen, von dem die Menschen in den Industrieländern und in den Ländern des Südens gleichermassen profitieren. Es kann nicht sein, dass wir beispielsweise unsere Strassen mit Pflastersteinen bestücken, welche aus asiatischen Steinbrüchen stammen, in denen Kinder und Zwangsarbeiter ausgebeutet werden und dabei ihre Gesundheit ruinieren. Zudem verhindert unter verschärften Wettbewerbsbedingungen nur ein fairer Handel, dass Dumpingangebote bei uns KMU aus dem Markt werfen und unsicheren, schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen in den Ländern des Südens Vorschub geleistet wird.

Es wäre nicht mehr zeitgemäss, wenn wir beim Beschaffungswesen und in der Submissionsverordnung nur den Preis betrachten. Vielmehr müssen auch soziale und ökologische Kriterien ein angemessenes Gewicht bei der Beurteilung von Einkäufen erhalten.

 

Bericht und Antrag des Stadtrates:

Die IAO ist eine Sonderorganisation der UNO und verfolgt die Zielsetzung, den Weltfrieden durch eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller Menschen zu sichern. Die acht von der Schweiz ratifizierten IAO-Kernübereinkommen haben den Schutz fundamentaler Arbeitsnormen zum Ziel und verfolgen die folgenden vier Grundprinzipien:

  • Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen;
  • Beseitigung der Zwangsarbeit;
  • Abschaffung der Kinderarbeit;
  • Verbot der Diskriminierung.

In den vergangenen Monaten wurde vorwiegend von SP-Mitgliedern auf Kommunaler-, Kantonaler-  sowie auf Bundesebene Forderungen gestellt betreffend Menschenrechte und Arbeit. Gemäss Medienmitteilung vom 7. Oktober 2008 des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH) – welches die Kampagne «Keine Ausbeutung mit unseren Steuergeldern» koordiniert (siehe www.kehrseite.ch) - wurden in 22 Gemeinden und 7 Kantonsparlamenten Vorstösse eingereicht.

Im Kanton Zürich wurden unter anderem in den Städten Illnau-Effretikon, Wädenswil sowie Stadt Zürich Postulate oder Anfragen überwiesen. Am 8. September 2008 wurde im zürcherischen Kantonsrat eine Anfrage «Verwendung von Steinprodukten aus Kinderarbeit» eingereicht, welche am 3. Dezember 2008 (KR-Nr. 310/2008) beantwortet wurde. Der Stadtrat von Winterthur hat am 25. Februar 2009 die Interpellation betreffend Faire Beschaffungspolitik beantwortet.

Informationen Beschaffungswesen

Gesetzliche Bestimmungen
Die Bestimmungen zum öffentlichen Beschaffungswesen, die für die Stadt Uster relevant sind (Binnenmarktgesetz BGBM, Gesetz über den Beitritt des Kantons Zürich zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen IVöB und Submissionsverordnung des Kantons Zürich SVO), bezwecken im Wesentlichen eine Öffnung des Marktes der öffentlichen Beschaffung. Das Verfahren für die öffentliche Hand soll transparent gestaltet und der Wettbewerb unter den Anbietenden gestärkt werden. Zudem wird eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel angestrebt.

Sozialpolitische Anliegen können in diesem rechtlichen Rahmen nur eingeschränkt verfolgt werden. Die Vergabestelle hat beispielsweise gemäss Art. 11 der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB, LS 720.1,) und §8 der Submissionsverordnung (SVO, LS 720.11,) sicherzustellen, dass die Anbietenden und auch Dritte, denen sie Aufträge weiterleiten, die geltenden Arbeitsschutzbestimmungen, die Arbeitsbedingungen und die Gleichbehandlung von Mann und Frau einhalten. Die Anwendung dieser Bestimmungen im Kanton und auf nationaler Ebene ist unbestritten und auch weitestgehend unproblematisch.

Ob derartige (Deklarations-)Verpflichtungen auf ausländische Zulieferer ausgedehnt werden können – ohne gegen das GATT/WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen zu verstossen -, ist hingegen zweifelhaft. Beschränkungen im Bezug auf die Produktionsmethoden werden von den Ge-richten bisher regelmässig für unzulässig erklärt, weil sie in der Regel zu versteckten Beschränkungen des internationalen Handels führen. Ebenfalls offen ist, ob das nach Submissionsrecht zur Verfügung stehende Zuschlagskriterium der Nachhaltigkeit für die Ausscheidung von Produkten aus nicht sozialverträglicher Produktion eingesetzt werden könnte.

Der Stadtrat ist bestrebt im Rahmen seiner Wahlfreiheit, nur Produkte zu beschaffen, die unter fairen Arbeits- und Sozialbedingungen hergestellt und gehandelt werden. Insbesondere in den Einladungsverfahren und den freihändigen Verfahren besteht die Möglichkeit, bei Vergaben nur Anbieter zu berücksichtigen, die für ihre Leistungen und Produkte auch eine soziale Nachhaltigkeit garantieren.

Unabhängig von der Art des Auftrages (Lieferung, Dienstleistung, Bauauftrag) ist in der Vorbereitungsphase des Verfahrens der Gestaltungsspielraum am Grössten. Daher kann zu Beginn des Beschaffungsvorgangs eine sozial nachhaltige Beschaffungspolitik am besten umgesetzt werden, indem bereits im Leistungsverzeichnis und bei der Bestimmung der Eignungs- und Zuschlagskriterien besonderes Augenmerk darauf gelegt wird.

Leistungsverzeichnis
Im Leistungsverzeichnis werden konkrete Anforderungen beschrieben, die vom nachgefragten Produkt oder der nachgefragten Leistung zwingend zu erfüllen sind. Es können Kriterien der Nachhaltigkeit in Form von technischen Spezifikationen angeführt werden. Die Spezifikationen müssen allerdings eher in Bezug auf den Nutzen der Leistung als auf die Konstruktion umschrieben werden und werden auf der Grundlage von internationalen Normen definiert (§ 16 SVO). Durch dieses Vorgehen wird zudem sichergestellt, dass die Vergleichbarkeit der Offerten gewährleistet ist. Als Nachweis können die in der Interpellation und im Leitfaden des SAH erwähnten Produkte-Labels und Zertifikate (eine Übersicht über in der Schweiz gängige Labels findet sich auf www.labelinfo.ch) dienen. Allerdings müssen auch andere gleichwertige Nachweise und Gütesiegel akzeptiert werden, wobei die Gleichwertigkeit vom Anbietenden nachzuweisen ist. Aus submissionsrechtlicher Sicht darf der Herkunftsort einer Leistung oder eines Produktes keine Rolle spielen.

Eignungskriterien
Durch die Definition von entsprechenden Eignungskriterien, die insbesondere die fachliche, finanzielle, wirtschaftliche, technische und organisatorische Eignung der Anbietenden betreffen (§ 22 SVO), kann der Kreis von Anbietenden eingeengt werden. Als gesetzliche Eignungsvoraussetzung gelten die Einhaltung der geltenden Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen und die Gleichbehandlung von Frau und Mann (Art. 11 IVöB, § 8 SVO). Anbietende, die nachweislich gegen Bestimmungen der geltenden Gesamtarbeitsverträge verstossen haben, müssen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Die Eignungskriterien müssen auch von Subunternehmungen eingehalten werden; eine Ausdehnung auf Zulieferer ist schwieriger und zumindest ausdrücklich in den Unterlagen zu erwähnen. Die Anforderungen in diesem Bereich können auf die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen ausgedehnt werden. Der Nachweis der Eignung wird in der Regel über gute Referenzauskünfte und eine Selbstdeklaration erbracht. Es können wiederum Labels oder Zertifizierungen als Nachweise verlangt werden.

Zuschlagskriterien
Zuschlagskriterien dienen dazu, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu bestimmen. Neben dem Preis können weitere Kriterien berücksichtigt werden. § 33 SVO nennt insbesondere Qualität, Zweckmässigkeit, Termine, technischer Wert, Ästhetik, Betriebskosten, Nachhaltigkeit, Kreativität, Kundendienst, Lehrlingsausbildung und Infrastruktur als mögliche Kriterien. Durch die Bewertung dieser Kriterien wird sichergestellt, dass nicht das «billigste» Angebot den Zuschlag erhält, sondern dasjenige Angebot, dass unter Berücksichtigung aller Aspekte der konkreten Vergabe als das «beste» erscheint.

Praktikabilität, Überprüfbarkeit
In praktischer Hinsicht ist festzuhalten, dass eine Überprüfung der Herstellungsprozesse die Möglichkeiten eines Vergabeverfahrens in der Regel übersteigt. Schon in zeitlicher Hinsicht bestehen im Submissionsverfahren in der Regel keine Möglichkeiten für umfassende Abklärungen. Eine griffige Überprüfung der Vorgaben an faire Produktionsbedingungen im Ausland wäre ausserdem kaum umsetzbar und setzt voraus, dass die genaue Herkunft der Produkte, die oft in grossen Mengen und aus verschiedenen Quellen nach Europa verschifft werden, einwandfrei geklärt ist und die Produktionsmethoden der einzelnen Produktionsstätten bekannt sind. Auf den ersten Blick bietet es sich an, Labels zu verlangen, um die Einhaltung der Arbeitsbedingungen gemäss Kernübereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) der Produktionsländer sicherzustellen. Aus Gründen der Gleichbehandlung bei Ausschreibungen ist jedoch darauf zu achten, dass Anbietende, die für ihr Produkt zwar über kein Label verfügen, die Labelkriterien aber erfüllen, ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Beantwortung Anfrage
Das Postulat beauftragt den Stadtrat zu prüfen, wie im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens sichergestellt werden kann, dass alle Lieferantinnen und Lieferanten und Leistungserbringerinnen und -erbringer bei der Ausführung des Auftrags, die Bestimmungen der Kernübereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation (IAO) eingehalten werden.

Der Stadtrat ist der Meinung, dass soziale und ökologische Gesichtspunkte bei der Beschaffungen wichtig sind. Er unterstützt vollumfänglich die Zielsetzungen der acht IAO-Kernübereinkommen. Wie eingangs erwähnt, kann der Stadtrat mit dem bestehenden kantonalen Submissionsrecht sozialpolitische Anliegen nur beschränkt verfolgen. Insbesondere sind die Möglichkeiten eingeschränkt, verbindliche Kriterien respektive Labels festzulegen.

Der Stadtrat ist jedoch bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterhin einer sozialverträglichen sowie ökologischen Beschaffung Beachtung zu schenken. Im Rahmen der einzelnen Ausschreibungsverfahren werden die Leistungen sowie die Eignungs- und Zuschlagskriterien individuell festgelegt. Die Beschaffungsstellen achten – wie das bisher auch erfolgt – neben produktbezogenen, unternehmensspezifischen sowie wirtschaftlichen Kriterien auch auf die soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Um der Nachhaltigkeit grössere Beachtung zu schenken erarbeitet eine Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge mit messbaren Kriterien, welche im Rahmen des Submissionsverfahren als Eignungs- und Zuschlagskriterien angewendet werden können

Der Stadtrat beantragt dem Gemeinderat, dem Bericht zuzustimmen und das Postulat als erledigt abzuschreiben.

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