Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

02. März 2009

Arbeitsbedingungen für Pflegefamilien in Uster

Anfrage von Julia Amherd

Im Januar 2007 erstattete der Regierungsrat Bericht an den Kantonsrat zum Postulat KR-Nr. 55/2003 betreffend bessere Arbeitsbedingungen für Pflegefamilien. In Abschnitt 6 „Schlussfolgerungen“ beschreibt der Regierungsrat einige Massnahmen die geprüft werden sollen, um die Abbrüche von Pflegeverhältnissen zu verringern und die Arbeitsbedingungen der Pflegeeltern zu verbessern.

Aufgrund dieses Berichtes bitte ich den Stadtrat um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie viele Pflegefamilien stehen in Uster zur Verfügung?
  2. Wer ist zuständig für die Erarbeitung von Qualitätskriterien zur Vorabklärung und Vermittlung von Pflegefamilien?
  3. Wie werden die Pflegefamilien auf ihre Aufgabe vorbereitet und während der Platzierung eines Pflegekindes fachlich begleitet und beaufsichtigt?
  4. Wie viele Platzierungen von Kindern (regulär und Notfallplatzierungen) werden in Uster pro Jahr vorgenommen?
  5. Wie hoch ist die monatliche Entschädigung für die Pflegefamilie für ein Pflegekind?
  6. Inwiefern ist die Entschädigung der Pflegefamilien erhöht worden (seit 2007)?
  7. Wer trägt die Kosten für eine allfällige pflegefamilienergänzende Hort- bzw. Tagesstruktur der Schule?
  8. Inwiefern werden in Uster Sozial- und Schulbehörden informiert und geschult?

Besten Dank für die Beantwortung der Fragen.

 

Die Sozialbehörde beantwortet die Anfrage wie folgt:

Mit Schreiben vom 16. April 2009 nimmt das Amt für Jugend und Berufsberatung Kanton Zürich, Region Ost, zu den Fragen 1 – 7 Stellung. Einleitend wird über folgendes informiert:

Im Rahmen eines vom Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) des Kantons Zürich bewilligten Pilotprojektes befasst sich die Fachstelle Pflegekinder Region AJB Ost seit dem 1. Juli 2007 mit dem Bereich Pflegekinder in den Bezirken Hinwil, Pfäffikon und Uster. Die fünf früheren dezentralen Stellen der Jugend-und Familienberatungen (JFB) für den Bereich Pflegekinder sind zur zentralen Fachstelle Pflegekinder (FAP) mit Standort in Wetzikon zusammengelegt worden. Diese Stelle wird von zwei Fachfrauen als Co-Leiterinnen mit insgesamt 120 Stellenprozenten geführt.

Der Bereich Pflegekinder wurde aufgrund der knappen Ressourcen (5 – 10 Stellenprozente pro JFB-Abteilung) und dem von den verantwortlichen Sozialarbeitenden in diesem Bereich zunehmend erlebten Qualitätsverlust regionalisiert. Die Professionalisierung der Aufgaben und Leistungen sowie eine Qualitätssteigerung im Bereich Pflegekinder sind zentrale Anliegen des Konzeptes FAP. Als einen weiteren Schwerpunkt ist die Schaffung von besseren Arbeitsbedingungen für Pflegeeltern vorgesehen.

Das Projekt FAP der AJB Region Ost ist für die kantonale Jugendhilfe interessant und zukunftsweisend. In anderen Regionen des Kantons sollen ebenfalls Fachstellen für den Bereich Pflegekinder eingerichtet werden.

zu Frage 1: Laut Information des AJB Region Ost befinden sich zurzeit in Uster insgesamt 15 Kinder in 11 Familien in Wochen-/Dauerpflege. Von diesen 11 Familien arbeiten zwei mit dem Verein Espoir zusammen. Von den 15 Kindern sind drei in verwandtschaftlichen Pflegeverhältnissen.

In Uster stehen zwei Familien für SOS-Platzierungen (Platzierung max. drei Monate) zur Verfügung. Zudem steht eine Familie für eine neue Wochen-/Dauerplatzierung zur Verfügung.

zu Frage 2: Für die Erarbeitung von Qualitätskriterien zur Vorabklärung und Vermittlung von Pflegefamilien ist das Amt für Jugend und Berufsberatung Zürich, Abteilung familienergänzende Betreuung, zuständig.

Die Merkblätter „Vorabklärung und Beurteilung von Tages- und Pflegeplätzen“ sowie „Vermittlung und Platzierung von Kindern in Tages- und Pflegefamilien“ sind die Grundlagen für diese Aufgaben. Die Merkblätter sind abrufbar unter www.lotse.zh.ch, Suchbegriff “Pflegekinder".

Die Fachstelle Pflegekinder AJB Region Ost hat diese Aufgaben professionalisiert und die Qualität verbessert. An einem Pflegeverhältnis interessierte Eltern oder Elternteile müssen zuerst einen Informationsabend der Pflegekinder-Aktion Zürich und der FAP AJB Region Ost besuchen. Danach erfolgt die Vorabklärung/Eignungsabklärung. Die interessierte Familie hat einen Lebenslauf, jedes erwachsene Familienmitglied (auch zusätzliche Mitbewohner/innen) einen aktuellen Strafregisterauszug und einen Betreibungsregisterauszug abzugeben. Alle interessierten Pflege-und SOS-Familien werden neu von den Fachfrauen der FAP auf ihre Eignung abgeklärt (mindestens zwei Gespräche, wovon ein Hausbesuch). Früher wurden die Betreuerinnen von Pflegeverhältnissen (Laienhelferinnen) mit diesen Abklärungen beauftragt.

Die in den Pool aufgenommenen Pflegefamilien werden von der FAP vermittelt, Betreuerinnen haben diesbezüglich keine Funktion mehr. Bei der Vermittlung wird besonders auf die „Übereinstimmung“ Kind – Pflegefamilie geachtet.

zu Frage 3: Als Vorbereitung können Pflegefamilien freiwillig auf eigene Rechnung einen Vorbereitungskurs der Kontaktstelle Pflegekinder Zürich besuchen. Diese Möglichkeit wird eher selten genutzt. Ob die aktuelle Revision der Eidgenössischen Pflegekinderverordnung PAVO einen Einführungskurs obligatorisch vorschreiben wird, ist zurzeit noch offen.

Mit der Regionalisierung des Bereiches Pflegekinder ist die Aufsicht über alle Wochen-/Dauerpflege-verhältnisse professionalisiert worden. Die FAP hat für bereits bestehende Pflegeverhältnisse, welche nicht durch Sozialarbeitende, Beistände oder Vormünder beaufsichtigt werden, die Aufsicht übernommen. Für diese Aufgabe werden keine Betreuerinnen mehr eingesetzt.

Die Hauptverantwortung der Aufsicht liegt bei der FAP. Die Umsetzung der Aufsicht ist allerdings vorläufig nur mit dem Einsatz von fallführenden Sozialarbeitenden der JFB möglich, da die FAP mit den derzeitigen 120 Stellenprozenten, die Aufsicht nicht für alle Wochen-/Dauerpflegeverhältnisse übernehmen kann (138 Wochen-/Dauerpflegeverhältnisse 2008 in der AJB Region Ost). Neu eingerichtete Pflegeverhältnisse werden von Beginn an von der FAP beaufsichtigt und begleitet.

Die Begleitung zu Beginn und während einer Platzierung obliegt sowohl der FAP als auch dem/der platzierenden fallführenden Sozialarbeiter/in. Der/die Sozialarbeiter/in ist für das Kind und seine Belange sowie für die Herkunftsfamilie zuständig, die FAP für die Begleitung und Unterstützung der Pflegefamilie. Bei Bedarf berät die FAP Pflegeeltern telefonisch, bei den Pflegeeltern zu Hause oder in der FAP-Stelle zu Fragen und Problemen (Coaching). Seit anfangs 2009 besteht zudem eine geleitete Intervisionsgruppe für Pflegefamilien in Wetzikon.

In der Region Ost werden durch die FAP auch 1 – 2 Mal pro Jahr Treffen für Pflegeeltern und SOS-Familien angeboten (Erfahrungsaustausch, Vernetzung und Information).

zu Frage 4: 2008 erfolgten durch die Jugend- und Familienberatung Uster vier Anfragen an die FAP für reguläre Pflegeplätze; daraus ergaben sich zwei Platzierungen. Von der gleichen Stelle erhielt die FAP 11 Anfragen für SOS-Familien; 2 Platzierungen kamen zustande.

Von den 11 Pflegefamilien mit insgesamt 15 Kindern sind sechs Kinder mit gesetzlichem Wohnsitz in Uster. Ein weiteres Pflegekind mit gesetzlichem Wohnsitz in Uster ist aus der Aufsicht entlassen, wohnt jedoch weiterhin beim Pflegevater. Vier weitere Kinder aus Uster sind im Bezirk Uster oder in der Region Zürcher Oberland platziert, ein Kind ausserhalb der Region. Insgesamt sind 12 Kinder mit Wohnsitz Uster in Pflegefamilien platziert.

Im Bezirk Uster gibt es weitere Pflegefamilien, welche einem Verein oder einer privaten Vermittlungsorganisation angeschlossen sind (z.B. Delta, Bussola, Gfellergut etc.). Momentan sind dazu zwei Bewilligungsgesuche offen, die Kinder aus Uster betreffen. Zusätzlich werden kurzzeitige Platzierungen ohne Pflegeplatzbewilligung durch diese Vereine vorgenommen.

zu Frage 5: Laut AJB Region Ost fehlt trotz etlicher Bemühungen noch immer ein ausreichendes Angebot an Familienplätzen in der Region und auch in Uster. Es fehlt die Zeit, sich intensiv der Werbung und gezielten Suche von Pflegefamilien zu widmen, die den Bedarf an Familienplatzierungen abdecken könnten. Da die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv sind, wird die Suche nach Pflegeeltern zusätzlich erschwert.

Mit der Professionalisierung der Vor-/Eignungsabklärung von Pflegefamilien, Vermittlung von Pflegeplätzen und Aufsicht/Begleitung konnten die Arbeitsbedingungen für Pflegefamilien erst teilweise verbessert werden. Weitere dringende Massnahmen sind aus Sicht der AJB Region Ost die Erhöhung der Entschädigung der Pflegeeltern und mehr Wertschätzung der Pflegeeltern in der Öffentlichkeit.

Das AJB Region Ost hat in den letzten Jahren im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit bereits verschiedene Artikel zu Pflegefamilien, Pflegekinder und SOS-Platzierungen im Zürcher-Oberländer und im Anzeiger von Uster publiziert. Als Wertschätzung erhalten alle Pflegeeltern seit zwei Jahren jährlich einen Dankesbrief und einen Gutschein für einen Elternbildungskurs. Es ist der AJB Region Ost jedoch bewusst, dass weitere regelmässige Anstrengungen notwendig sind.

Die Sozialbehörde Uster anerkennt und unterstützt die Arbeit der FAP der AJB Region Ost. Die Behörde fällt ihre Entscheide im Rahmen und auf der Grundlage der kantonalen Vorgaben. Eigene Aktivitäten zur Verbesserung der Situation der Pflegefamilien sieht die Sozialbehörde keine vor, da solche in Kooperation mit der FAP und dem Amt für Jugend und Berufsberatung regional/kantonal zu verwirklichen sind.

zu Frage 6: Pflegegeld-Richtlinien für Wochen-und Dauerpflegeplätze (www.lotse.zh.ch) erlässt das Amt für Jugend-und Berufsberatung des Kantons Zürich. Die Pflegeeltern werden mit einem Lohn von Fr. 640.00/Monat (Fr. 29.10/Tag) für Wochen- und Fr. 855.00/Monat (Fr. 28.50/Tag) für Dauerpflege entschädigt. Daneben erhalten sie für die Verpflegung, Unterkunft und Nebenkosten abgestuft nach dem Alter der Pflegekinder eine monatlich Vergütung von Fr. 815.00 bis Fr. 1 060.00 (Dauerpflegeplätze) und Fr. 630.00 bis Fr. 795.00 (Wochenpflegeplätze). Verglichen mit Pflegeeltern privater Organisationen und mit Tageseltern ist der Lohn gemäss Angaben der FAP trotz oft höherer zeitlicher Belastung und grösserer Verantwortung tiefer. Die Arbeit der Tageseltern des Tagesfamilienvereins Uster wird beispielsweise mit brutto Fr. 6.00/Std. und einer Pauschale für die Verpflegungskosten entschädigt. Sowohl Tages- wie Pflegefamilien sind verpflichtet, ihren Lohn zu versteuern und auf diesen obligatorisch Sozialversicherungsabgaben zu bezahlen.

Die FAP AJB Ost will sich in diesem Jahr auf kantonaler Ebene für die bessere Entschädigung von Pflegeeltern einsetzen.

Da der Kanton Richtlinien zum Pflegegeld erlässt, könnten die Ansätze für die Entschädigungen der Pflegefamilien schon jetzt höher angesetzt werden. Von einer selbständigen Erhöhung sieht die Sozialbehörde Uster ab, da nach ihrer Auffassung aufgrund der Rechtsgleichheit Pflegeeltern bezüglich ihres Aufwandes innerhalb des Kantons Zürich nach den kantonalen Richtlinien gleichermassen abzugelten sind. Hingegen unterstützt die Behörde die Bemühungen der FAP AJB Region Ost auf höhere Entschädigungsleistungen, da die Betreuung von Kindern in Pflegefamilien oft eine geeignete Massnahme zur Sicherung des Kindswohles darstellt und im Vergleich zur stationären Platzierung in ein Heim selbst bei Erhöhung der Entschädigung kostengünstiger ausfällt. Die Lohnfrage stellt sich aus Sicht der Sozialbehörde im Besonderen, wenn sich die Pflegeeltern zusätzlich zu qualifizieren haben.

Pflegegelder, welche vom AJB Region Ost oder von der Sozialbehörde Uster ausbezahlt werden, erfolgen termingerecht.

zu Frage 7: Die Pflegegeldrichtlinien und die Entschädigung sind vom Kanton anfangs 2004 und 2008 der Teuerung angepasst worden.

zu Frage 8: Zur parlamentarischen Anfrage bemerkt die Primarschulpflege Uster grundsätzlich:

Das neue Volksschulgesetz und die neue -verordnung sieht bei Kindern in Pflegefamilien an Stelle des bisherigen zivilrechtlichen Wohnsitzes das Prinzip des ständigen oder tatsächlichen Wohnortes vor. Dies hat zur Konsequenz, dass Gemeinden mit Pflegefamilien für alle Stütz- und Fördermassnahmen, Therapien und Sonderschulungen von Kindern aufkommen müssen, welche sich in einer Pflegefamilie aufhalten. Gemeinden mit vielen Pflegefamilien werden deshalb überdurchschnittlich mit Kosten belastet, weil Kinder in Pflegefamilien erfahrungsgemäss Defizite aufweisen, die mit zusätzlichen Massnahmen behoben werden müssen. Die Ansiedlung von weiteren Pflegefamilien in Uster sollte deshalb nicht gefördert und der Status quo beibehalten werden, es sei denn, der politische Wille für weitere Pflegefamilien besteht und die entsprechenden höheren Kosten können ins Globalbudget aufgenommen werden.

Frage 8 beantwortet die Primarschulpflege wie folgt: Bei mangelnder Betreuung durch die Eltern (was im Fall der Pflegefamilien eigentlich nicht sein sollte) können Kinder als Einzelfall in den Schulhort aufgenommen werden. Es wird dafür der Mindestansatz von Fr. 14.00/Tag in Rechnung gestellt. Wenn dieser von der Pflegefamilie oder anderen Stellen nicht übernommen werden kann, muss die Primarschulpflege über die Übernahme der Kosten entscheiden.

zu Frage 9: Bei schulischen Aktivitäten (Klassenlager, Wintersportlager, Freifachkurse) besteht die Möglichkeit, Kosten für ein Pflegekind über einen Fonds der Primarschule zu übernehmen.

In allen Fällen, bei denen die Sozialhilfe für die Pflegekosten aufkommt, werden die Kinder von kantonalen Jugend- und Familienberatungsstellen (JFB) unterstützt und begleitet. Den fallführenden Sozialarbeitenden steht eine vorgegebene Pauschale zur Deckung von Nebenauslagen (z.B. Kleideranschaffungen, Freizeitaktivitäten) des Kindes zur Verfügung. Übersteigt der effektive Aufwand diese Pauschale, kann der Sozialhilfebehörde ein entsprechender Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. In der Regel werden die anfallenden Kosten mit dem Ziel, die Fähigkeiten der Kinder zu fördern und deren bessere soziale Integration zu ermöglichen, von der Behörde übernommen.

zu Frage 10: Bei der Platzierung eines Kindes in eine Pflegefamilie folgt sowohl die Sozialhilfebehörde wie auch die Vormundschaftsbehörde in der Regel den Anträgen der Jugend- und Familienberatungen. Es bestehen wegen ausreichenden kantonalen Richtlinien, die von den kantonalen Stellen angewandt werden, keine eigene Platzierungskriterien. Wird eine Platzierung durch die Vormundschaftsbehörde unter Anordnung der entsprechenden Kindesschutzmassnahme vorgenommen, ist die Platzierungsart (Pflegefamilie oder Institution) im Rahmen des rechtlichen Gehörs mit den sorgeberechtigten Elternteilen und je nach Alter mit dem Kind zu besprechen. In diesem Sinn kann nochmals überprüft werden, inwiefern die vorgeschlagene Platzierungsart den Interessen der Familie/des Elternteils/des Kindes entspricht. Die eigentliche Anordnung der Platzierung eines Kindes geschieht unter Entzug des elterlichen Obhutsrechts durch Beschluss der Vormundschaftsbehörde.

Bei Familien, die über keine Bewilligung zur Aufnahme von Pflegekinder verfügen bzw. nicht im Vermittlungspool der FAP sind, werden keine Kinder platziert.

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