Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

22. August 2011

Sprachliche Förderung im Vorschulbereich

Nach den Sommerferien muss die Primarschule erstmals mit einem vom Gemeinderat gekürzten Budget für den Bereich Deutsch als Zweitsprache arbeiten. Wir sind überzeugt, dass die Primarschule das Beste aus ihren Möglichkeiten machen wird. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass die Lehrpersonen mit den neu eintretenden fremdsprachigen Kindern stark gefordert sind. Jedes Kind, das sprachlich gut gefördert in den Kindergarten oder  in die 1. Klasse eintritt entlastet die Lehrkräfte, was wiederum den einheimischen Kindern zugute kommt.

In der Beantwortung der Anfrage vom 18.3.2009 von Maja Burger zum Thema Integration hat der Stadtrat bestätigt, dass die sprachliche Förderung unserer Kinder im Vorschulbereich eine wichtige Integrationsmass-nahme darstellt. Es wurde von Projekten für Angebote für die Deutschförderung im Alterssegment „Kleinkinder“ berichtet und Bezug genom-men auf den Kanton Basel-Stadt, welcher hier Pionierarbeit leistet und in diesem Bereich ein Obligatorium kennt. Der Stadtrat hat schliesslich auf die neuen und entscheidenden Impulse von Seiten des kantonalen Integrationsgesetzes verwiesen. Inzwischen wissen wir, dass dieses Gesetz gescheitert ist.

Nach unserer Ansicht ist es nach wie vor nötig, im Bereich der sprachlichen Frühförderung im Vorschulbereich mehr zu tun. Wegen dem gekürzten Budget für den DaZ-Bereich in der Primarschule ist die heutige Situation gar schlechter als zur Zeit der erwähnten Anfrage.

Das Marie Meierhofer Institut für das Kind hat im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund im Projekt Spielgruppe-Plus klar festgestellt, dass die sprachlich spezifisch geförderten Kinder deutliche Verbesserungen ihrer sprachlichen Kompetenz im Deutschen aufweisen.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Stadtrat und die Primarschulpflege, folgende Fragen zu beantworten:

  1. In der Beantwortung der Anfrage Maja Burger wurden verschiedene Projekte erwähnt, welche in Planung sind. Welche konnten inzwischen umgesetzt werden? Wie sind die ersten Erfahrungen?
  2. Wie viele Spielgruppen-Plus, also solche die der sprachlichen Förderung ein besonderes Gewicht verleihen, gibt es in Uster?
  3. Verfügen die MitarbeiterInnen in diesen Spielgruppen-Plus über die entsprechende Zusatzqualifikation?
  4. Die Kinderkrippe Arche Noah vom Frauenverein bietet versuchsweise nach den Sommerferien eine spezifische sprachliche Förderung durch eine Fachkraft an. Sollten diese Erfahrungen positiv verlaufen, könnte die Stadt eine solche Fachkraft bereitstellen, welche die Ustermer Krippen bzw. die MitarbeiterInnen gezielt unterstützt. Was denkt der Stadtrat zu einer solchen Idee?
  5. Es fällt auf, dass in den Quartieren mit hohem Ausländeranteil sehr viele Kinder in den Kindergarten eintreten, welche über gar keine Deutschkenntnisse verfügen. In den Räumen der Kindergärten könnten an den freien Nachmittagen Angebote zur Deutschförderung im Vorschulbereich installiert werden. Gibt es die Möglichkeit, dass die betreffenden Familien zum Besuch dieser Angebote verpflichtet werden können (wie im Beispiel der Stadt Basel)?

Besten Dank für die Beantwortung der Fragen.

 

Der Stadtrat beantwortet die Anfrage wie folgt:

Vorbemerkung

Bewegen sich Kleinkinder in einem altersgerechten, umfassend stimulierenden, auf den individuellen Entwicklungsstand abgestimmten Umfeld, erfahren sie Frühe Förderung. Die sprachliche Förderung bei Vorschulkindern stellt folglich ein Teilbereich der Frühen Förderung dar. Sprachliche Defizite bis zum Schuleintritt sollten gar nicht erst entstehen, denn solche erweisen sich in der Schulzeit als stark benachteiligend und während der gesamten Bildungsentwicklung, die junge Men-schen in der Schweiz durchlaufen, oft als unaufholbar. Gerade die Anfälligkeit von Migrantenkindern für solche das Bildungssystem in erheblichem Masse beeinflussende Lernkomplikationen und Hemmnisse ist hoch, sie betrifft auch deutschsprachige Kinder von sozial benachteiligten Familien. Gezielte Sprachförderung im Vorschulalter kann dem entgegenwirken und  den Schulerfolg dieser Kinder nachhaltig verbessern. Mit dem frühen Beginn der unterstützenden Massnahmen können Defizite vermindert oder verhindert werden. Dies kann sich zusätzlich positiv auf weitere Entwicklungsbereiche der Kinder auswirken. Sollen bei Kindergarteneintritt alle Kinder über ausreichende sprachliche Kompetenzen verfügen, müssen die entsprechenden Förderangebote zur Verfügung stehen. Damit ist ganz generell, aber insbesondere auch die Integrationspolitik der Stadt angesprochen.

Nachdem der Gemeinderat in der Budgetberatung 2011 die Leistungsmotion Thalmann/Strucken für eine ganzheitliche Integrationspolitik abgelehnt hat, sind der Stadt nicht nur im Bereich Frühe Förderung enge Grenzen gesetzt.  Die Integration ist heute beim Kulturbeauftragten und Geschäftsfeldverantwortlichen Kultur (total 70% Pensum) angehängt. Trotz Fehlen einer kompetenten Fachstelle werden eingehende Gesuche bzw. Projekte im Bereich Integration bzw. Frühe Förderung bearbeitet; eine Strategie in dieser Thematik fehlt allerdings.

In Uster beschäftigen sich derzeit verschiedene Träger mit der Frühen Förderung. Mit dem Ziel, die Vernetzung und den Austausch dieser Träger zu fördern und gemeinsame Projekte zu ermöglichen, wurde im Jahre 2009 von der Abteilung Soziales das Netzwerk Frühe Förderung initiiert. Im Netzwerk vertreten sind derzeit das kantonale Amt für Jugend und Berufsberatung (Kleinkindberatung Uster und Abteilung Familie und Jugend Region Ost), das Mütterzentrum, die Elternbildung Uster (EBU), der Verein Holzwurm und die Stadt Uster (Abteilung Soziales, Präsidialabteilung). Das Netzwerk trifft sich in halbjährlichen Abständen zu einem Informationsaustausch.

Zu Frage 1: Im Jahre 2010 hat die Präsidialabteilung in Kooperation mit der Abteilung Soziales erstmals ein Projekt im Bereich Frühe Förderung unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem Mütterzentrum hat die Elternbildung Uster EBU einen Pilotversuch im Bereich «Sprachförderung für Kleinkinder» parallel zum bereits bestehenden Deutschkurs des Mütterzentrums durchgeführt. Während zwei Semestern besuchten total 19 Kinder zweimal wöchentlich angebotene Sprachfördersequenzen. Die Kinder stammten aus den Ländern Japan, China, Venezuela, Spanien, den USA, Schweden, England, Italien, Indien und dem Kosovo. Die Auswertung des Kurses hat gezeigt, dass die Sprachförderung einen feststellbaren Kompetenzgewinn der fremdsprachigen Kinder bewirkte. Auch wurde der direkte Kontakt mit den Müttern, die parallel den Deutschkurs besuchten, gelobt. Aber die im Kernfokus stehenden sozial benachteiligten Kinder konnten nur ungenügend erreicht wurden. Zudem wurde die Heterogenität der Alterszugehörigkeit bemängelt.

Laufende Projekte:

„Deutsch-Spiel-Kurs für Kinder“: So heisst das Nachfolgeprojekt des Pilotes aus dem Jahre 2010. Dieses wird vom Mütterzentrum Uster durchgeführt und richtet sich an fremdsprachige Kinder im Alter von 2.5 bis 3.5 Jahren aus sozial benachteiligten Familien. Das Angebot bringt Kindern an zwei Nachmittagen/Woche spielend deutsche Sprachkompetenzen bei; davon einmal pro Monat zusammen mit ihren Eltern. Die Kosten werden von der Abteilung Soziales, der Präsidialabteilung und den Eltern getragen.

„Frühe Integration und sprachliche Förderung von fremdsprachigen Kindern im Vorschulalter in der Stadt Uster“: Dieses Angebot ist auf Initiative der kantonalen Fachstelle für Integrationsfragen hin entstanden, die sich mit über 30 000 Franken an den Kosten beteiligt. Es beinhaltet Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen und Hausbesuchen mit interkulturellen Vermittler/innen. Die Infoveranstaltungen richten sich an fremdsprachige Eltern mit Kindern der Jahrgänge 2009/2010. Ziel ist es, dass sämtliche fremdsprachige Kinder ein Jahr vor dem Kindergarten in integrative Angebote mit Schwerpunkt Sprachförderung (Spielgruppe +) angemeldet werden und so mit Deutschkenntnissen im regulären Kindergarten beginnen können. Eltern, die via Infoveranstaltung nicht erreicht werden können, werden zu Hause aufgesucht und von den Vorteilen solcher Angebote für Entwicklung und Integration ihrer Kinder überzeugt. Der Kanton lässt das Projekt von der Firma Infras professionell auswerten.

„Schulstart Plus“: Die Präsidialabteilung unterstützt eine Anfrage der Caritas für die Durchführung eines Angebotes für portugiesischsprachige Eltern. Der Kurs, der 8 Lektionen umfasst, hat zum Ziel, Eltern auf Kindergarten- und Schuleintritt ihrer Kinder vorzubereiten (Themen: Systemverständnis und -kenntnis; Begleitungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, Horizonterweiterung betreffend unterstützender schulexterner Angebote).

«MIAM»: Hörbildung bedeutet auch Sprachbildung - Im Rahmen eines Pilotprojekts unterstützt die Präsidialabteilung eine Initiative, die Kindern von 0 bis 4 Jahren mit zielgruppenadäquaten Livekonzerten gemeinschaftliche Musikerlebnisse ermöglicht. Dabei wird ein Lern- und Erfahrensprozess unterstützt, der demjenigen des Erlernens einer Sprache sehr ähnlich ist. Zudem wird Gehörbildung betrieben, was einer grossen Unterstützung beim Spracherwerb gleichkommt. Dieser Kurs hat keinen migrantenspezifischen Hintergrund. 

„ZEPPELIN“: Die Kleinkindberatung Uster beteiligt sich am Projekt ZEPPELIN. Das wissenschaftlich begleitete Projekt wird von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich und dem Nationalfonds in Zusammenarbeit mit dem Amt für Jugend und Berufsberatung durchgeführt. Ziel dieses Interventionsprogramms ist die Sicherstellung der notwendigen Frühen Förderung für Kinder aus belastenden Familienverhältnissen. Die Eltern werden bei Hausbesuchen durch professionelles Personal (Mütterberaterinnen mit Zusatzausbildung) angeleitet, ihre Kinder altersgerecht zu fördern. Das Anleiten erfolgt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes.

Zu Frage 2: Auf Initiative der Kleinkindberatung Region AJB Ost tragen seit Sommer 2011 vier bestehende Spielgruppen in Uster das Label „Spielgruppe Plus“. Dies sind namentlich die Spielgruppen „Kidin“, „Trückli“, „Glühwürmli“ und „Wackelöhrli“. Die Auswahl der Spielgruppen erfolgte nach den Kriterien Kinderzusammensetzung, Interesse der Spielgruppenleitung, pädagogischer Gesamteindruck und geografischer Lage der einzelnen Spielgruppen. Mit der Anstossfinanzierung für ein Jahr ermöglichte das Amt für Jugend- und Berufsberatung die Ausbildung der Spielgruppenleiterinnen und die Deckung der Materialkosten. Kinder in diesen Spielgruppen werden nach vorgegebenem Sprachförderkonzept spielerisch in ihrem Spracherwerb gefördert. Die Qualitätssicherung der Spielgruppen wird durch die IG Spielgruppe sicher gestellt.

Zu Frage 3: Die Leiterinnen der Spielgruppen Plus sind ausgebildete Spielgruppenleiterinnen. Im Rahmen einer Zusatzausbildung werden sie im Bereich Sprachförderung, insbesondere auch im interkulturellen und integrativen Kontext, geschult.

Zu Frage 4: Krippen leisten einen wichtigen Beitrag zur umfassenden Entwicklungsförderung bei Vorschulkindern. Überdurchschnittlich profitieren davon Kleinkinder, deren familiäres Umfeld keine ausreichende Förderung zulässt. Die sprachliche Förderung in Krippen ist ein Teilbereich der ganzheitlichen Frühen Förderung, nimmt aber vor allem bei fremdsprachigen Kindern eine Schlüsselfunktion ein. Eine nachhaltige Sprachförderung bedingt ein klares Konzept, die entsprechende Ausbildung des Krippenpersonals und muss Bestandteil des Krippenalltags sein. Möchte die Stadt Uster sicherstellen, dass Krippenkinder mit Sprachförderbedarf die notwendige Unterstützung erhalten, müssen die Krippen über Sprachförderkonzepte und das entsprechend qualifizierte Personal verfügen. Für den Erwerb dieser Kompetenzen gibt es verschiedene Aus- und Weiterbildungsangebote. Eine Erhebung der Abteilung Soziales im Jahre 2010 hat ergeben, dass ein grosser Teil des ausgebildeten Krippenpersonals über die Kenntnisse bezüglich der Sprachförderung von Kleinkindern verfügt.

Die Abteilung Soziales hat im Jahre 2011 eine gemeinsame Weiterbildung der FEB-Krippen Uster mit Teilfokus Sprachförderung organisiert und durchgeführt.

Zu Frage 5: Die Stadt Uster verfügt zunehmend über verschiedene Angebote mit dem Ziel, fremdsprachige Kinder im Erwerb der deutschen Sprache zu unterstützten. Die Teilnahme bei diesen Programmen ist freiwillig. Mit den Projekten „ZEPPELIN“, „Frühe Integration und sprachliche Förderung von fremdsprachigen Kindern im Vorschulalter in der Stadt Uster“ und „Schulstart Plus“ werden gezielt Eltern motiviert, ihren Kindern den Besuch dieser Angebote zu ermöglichen. Die Auswertungen dieser Studien werden den Erfolg dieser Ansätze aufzeigen und Basis für die weitere Diskussion bilden. Für die Verpflichtung der betreffenden Familien zum Besuch von Deutschförderungsangeboten im Vorschulbereich fehlen die notwendigen Grundlagen.

Zurzeit verfügen alle bestehenden sprachfördernden Angebote im Vorschulbereich über Räumlichkeiten. Die Primarschule Uster ist bereit, bei Bedarf ihre Kindergartenräumlichkeiten zu ungenutzten Zeiten für solche Angebote zur Verfügung zu stellen.

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