Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

21. Januar 2013

Anstellung pflegender Angehöriger gegen Lohn

Anfrage von Julia Amherd

Der Stadtrat wird eingeladen zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, pflegende Angehörige bei der Spitex Uster gegen Lohn anzustellen.

Begründung:

Wie in der NZZ im Juli 2012 zu lesen war, sind pflegende Angehörige in der Schweiz keine Seltenheit. Im Bereich der Alterspflege wird heute 5- bis 8-mal mehr unbezahlte Care-Arbeit durch die Familie geleistet als durch Spitex, Hausangestellte oder Hauspflege Unternehmen. Der Swiss-Age-Care-Bericht 2010 hat aufgezeigt, dass sich Kinder ihren betagten Eltern im Durchschnitt 27 Stunden pro Woche widmen. Kein Wunder also, dass die Ergebniskonferenz Altersstrategie der Stadt Uster vom 12. November 2012 aufzeigt, dass es Entlastungsangebote für pflegende Angehörige braucht.

Bei den Entlastungsangeboten wird primär daran gedacht, pflegeabhängige Menschen für eine definierte Zeit in einer bestehenden Institution unterzubringen. Während dieser Zeit können sich die pflegenden Angehörigen erholen. Es braucht aber mehr als diese kurzen 1-2 wöchigen Entlastungsangebote.

Bei den pflegenden Angehörigen handelt es sich meistens um Frauen im mittleren Alter. Oftmals müssen diese ihre Berufstätigkeit reduzieren oder sogar aufgeben, um sich um die pflegebedürftigen Eltern, Kinder oder den Partner zu kümmern. Dadurch entstehen Einkommenseinbussen und Nachteile bei der eigenen Altersvorsorge. Diesen finanziellen Einbussen muss genau so Rechnung getragen werden wie der Entlastung bei der eigentlichen Pflegetätigkeit.

Ein Beispiel wie die finanzielle Entlastung passieren könnte, zeigt die Spitex Gossau auf. Seit drei Jahren beschäftigt die Spitex Gossau pflegende Angehörige im Anstellungsverhältnis mit dem Vorteil, dass einerseits der Pflegebereich personell verstärkt wird und andererseits erhalten pflegende Angehörige vollen Zugang zur Arbeitswelt mit entsprechendem finanziellem Verdienst. Seit der Lancierung des Projektes sind bei der Spitex Gossau zwei bis fünf pflegende Angehörige im Einsatz. Pro Tag arbeiten sie im Durchschnitt drei Stunden.

Der regelmässige Austausch mit den ausgebildeten Pflegefachleuten hat dazu geführt, dass sich die pflegenden Angehörigen viel sicherer fühlen in ihrer Laien – Pflegetätigkeit. Die enge Begleitung und Unterstützung durch eine Fachperson wird demgemäss auch als unabdingbar eingeschätzt.

Das gesundheitspolitische Leitpostulat „ambulant vor stationär“ wird in Zukunft vermehrt dazu führen, dass lang andauernde Pflegeleistungen in Privathaushalten zu leisten sind. Deshalb ist es wichtig, bereits heute die notwendigen Strukturbedingungen dazu zu definieren.

Bericht und Antrag des Stadtrates:

Aufgabenteilung zwischen Spitex und Angehörigen in der Pflege

Zum Einstieg in die Thematik werden zuerst die Dienstleistungen der Spitex erläutert. Aus der Studie SwissAgeCare 2010 werden Aussagen zur Aufgabenteilung zwischen Spitex und Angehörigen in der Pflege zitiert und erste Schlussfolgerungen gezogen.

Spitex-Dienstleistungen umfassen sowohl Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit als auch bei Hilfsbedürftigkeit. Das geltende Pflegegesetz des Kantons Zürich (§ 5 Abs. 1, seit 1.1.2011) verpflichtet die Gemeinden zu einer bedarfs- und fachgerechten stationären und ambulanten Pflegeversorgung ihrer Einwohnerinnen und Einwohner. Darunter gehören im Spitex-Bereich Pflegeleistungen gemäss der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) des Bundes sowie notwendige Leistungen im hauswirtschaftlichen und betreuerischen Bereich für Personen, die wegen Krankheit, Mutterschaft, Alter, Unfall oder Behinderung nicht in der Lage sind, ihren Haushalt selbständig zu führen (sog. Nicht-pflegerische Spitex-Leistungen).

Gemäss SwissAgeCare-2010 Studie leistet die Spitex am meisten Unterstützung in der Grundpflege. Dies wird durch die Zahlen der Spitex Uster deutlich bestätigt. Etwa 50 % der Klientinnen und Klienten erhalten Massnahmen im Bereich der therapeutischen Behandlungspflege. Diese Leistungen bedürfen einer Bedarfsabklärung und werden auf ärztliche Anordnung hin oder im ärztlichen Auftrag erbracht. Entsprechend werden sie von den Krankenkassen anerkannt und mitfinanziert. Im nicht-pflegerischen Bereich, in dem sich die Krankenkassen nicht beteiligen, nehmen in Uster etwa 20 % der Klientinnen und Klienten Begleitungs- und Betreuungsleistungen und etwa 30 % Haushalthilfe in Anspruch.

Pflegende Angehörige leisten laut Studie Unterstützung sowohl bei Pflegebedürftigkeit als auch bei Hilfsbedürftigkeit. Gegenüber der Unterstützung durch die Spitex ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede in den Gewichtungen der einzelnen Leistungen. So etwa leisten Angehörige deutlich mehr Hilfe bei Mobilität/Transport, bei emotionalen, psychischen und sozialen Herausforderungen und bei Haushaltsarbeiten. Spitex-Leistungen erfolgen, im Vergleich zu denjenigen der Angehörigen, hingegen deutlich öfter bei der Körperpflege. Es gibt jedoch keine Leistungsbereiche, in denen ausschliesslich die Spitex oder die Angehörigen tätig sind.

Dies lässt den Schluss zu, dass sich die Leistungen der Spitex und der Angehörigen, je nach Pflegesituation, gegenseitig ergänzen.

Die Erfahrungen in Uster bestätigen, dass Spitex-Leistungen in der Regel unterstützend erfolgen. Mit dem Bedarfsabklärungs-Instrument RAI-HC (Resident Assessment Instrument) wird der Bedarf an Hilfe und Pflege ermittelt und davon ausgehend die Pflegeplanung, inklusive der auszuführenden Massnahmen festgehalten. Zur Bedarfsorientierung gehört auch, dass das individuelle Handlungsvermögen der Klientinnen und Klienten und dasjenige der helfenden Personen aus dem eigenen Umfeld (z.B. Angehörige) berücksichtigt werden. Die festgelegten Massnahmen werden durch geeignetes Personal mit der nötigen Berufsqualifikation ausgeführt. Pflegerische Tätigkeiten in der Familie durch Familienangehörige müssten sich für eine Abgeltung von der familiären Fürsorgepflicht abgrenzen. Angehörige sind im Rahmen der IV angehalten zwecks Schadensmilderung ihren Beitrag im Haushalt zu leisten.

Zum professionellen Angebot der Spitex gehört das Anlernen von Tätigkeiten oder das Erarbeiten von Bewältigungs-Strategien für Klientinnen und Klienten und ihre Angehörigen. Pflegende Angehörige werden von der Spitex begleitet und ihre Tätigkeiten durch fachliche Interventionen ergänzt. Dabei achten Spitex-Mitarbeitende darauf, dass die pflegenden Angehörigen ihre Unterstützung im Rahmen des Möglichen leisten und nicht über Gebühr belastet werden. Meist entwickeln sich so gelungene Arbeitsteilungen zum Wohle der Klientinnen und Klienten. Das Entlastungsangebot der Spitex reicht von Beratung und oder Anlernen vor Ort, Übernahme der Pflege bis zur Beratung im Ambulatorium, die bei Bedarf auch Familienkonferenzen ermöglicht. Instruktion und Beratung ist eine kassenpflichtige Leistung.

Diese Feststellungen machen deutlich, dass das Unterstützungsangebot der Spitex bereits heute vielfältig ist und auf die Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen individuell eingeht. Dadurch werden diese in ihrer Laientätigkeit gestärkt.

Studienergebnisse zu pflegenden Angehörigen

Laut den Forschungsergebnissen der SwissAgeCare-2010 Studie ist Pflege von Angehörigen vorwiegend eine von Frauen ausgeübte Tätigkeit. Rund ein Drittel der Pflegenden sind immerhin Männer. Die pflegenden Bezugspersonen rekrutieren sich praktisch ausschliesslich aus der Kernfamilie (Partner/-innen und Kinder). Die pflegenden Bezugspersonen sind im Durchschnitt 66 Jahre alt, also bereits im Pensionsalter. Bei der Mehrzahl der Gepflegten handelt es sich um den Partner oder die Partnerin der pflegenden Personen. Das durchschnittliche Alter der pflegenden Partnerin resp. des pflegenden Partners liegt bei den Frauen bei rund 74.5 Jahren, bei den Männern bei 78 Jahren. Pflegende Töchter und Söhne sind im Schnitt 55 Jahre (Töchter) bzw. 58 Jahre (Söhne) alt.

Obwohl die pflegenden Angehörigen angeben, dass sie insgesamt mit der Aufgabe zurechtkommen, zeigen sich bei näherer Betrachtung aber doch deutlich die grossen Herausforderung und Anstrengungen, die es im Zusammenhang mit der Pflege von Angehörigen zu meistern gilt. Die Resultate der Studie machen deutlich, dass vor allem Partner und Partnerinnen bei weitem mehr Zeit in die Pflege investieren, als sie eigentlich möchten.

Mehr als die Hälfte der Pflegenden gibt an, dass Entlastungsmöglichkeiten in akuten Situationen schwierig zu finden sind. Ein Viertel der Partnerinnen sagt sogar, dass es niemanden gäbe, der für sie in einer solchen Situation einspringen könnte. Vieles deutet darauf hin, dass die Hilfesuchenden die vorhandenen Entlastungsangebote nicht immer kennen.

Vor dem Hintergrund dieser Resultate erscheint es fraglich, ob ein Anstellungsverhältnis bei der Spitex an der kritischen Grundsituation wesentlich etwas verbessern würde. Zwar würden die Leistungen abgegolten, aber nicht reduziert. Deshalb sind in erster Linie Entlastungsangebote angezeigt, welche die Arbeitsleistung der pflegenden Angehörigen reduzieren helfen.

Optimierung der städtische Entlastungsangebote in Uster

Übergeordnete, städtische und private Angebote bieten bereits heute vielfältige Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Wie in der im September 2013 vom Gemeinderat verabschiedeten Altersstrategie der Stadt Uster festgehalten, gilt es aber die bestehenden Angebote besser zu koordinieren bzw. für Betroffene sichtbarer zu machen.

Dafür soll unter anderem die «Anlauf- und Beratungsstelle Alter» geschaffen werden, mit dem Ziel, Informationsplattform für die Bevölkerung von Uster zu sein und die Koordination der Angebote zu übernehmen. Diese Stelle soll in ihrer Arbeit künftig regelmässig überprüfen, wo in Uster noch Lücken im Entlastungsangebot aus Sicht pflegender Angehöriger bestehen. In erster Linie geht es dabei darum, Entlastungsangebote zu suchen, welche die Arbeitsleistung der pflegenden Angehörigen reduzieren helfen.

In der Altersstrategie sind bereits folgende konkreten Massnahmen aufgeführt, die helfen sollen, pflegende Angehörige in Zukunft noch besser zu unterstützen.

Ein Blick auf Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände

Mit dem Thema «Pflegende Angehörige» beschäftigen sich bei näherer Betrachtung verschiedene politische Ebenen und Institutionen. Es werden zurzeit sowohl auf eidgenössischer wie auch auf kantonaler Ebene Postulate/Motionen zu dieser Frage bearbeitet, und diverse Verbände haben zu diesem Themenbereich Stellung genommen. Die nachstehenden Beispiele und Stellungnahmen sollen einen Blick über die Grenzen von Uster werfen, ohne dass dabei der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.

Gemeinden: Allschwil (BL): Die Gemeinde Allschwil bei Basel entschädigt pflegende Angehörige oder z.B. auch Nachbarn pauschal mit einer Gutschrift von 25 Franken pro Pflegetag. Die tägliche Pflege muss mindestens 1 1/2 Stunden umfassen. Die Notwendigkeit einer Dauerpflege begründet ein Arztzeugnis, und die Gutschrift muss jährlich neu beantragt werden.

Gossau (ZH): Die Spitex Gossau hat entgegen den Ausführungen der Postulantin bis anhin keine pflegenden Angehörigen angestellt. Die Präsidentin der Spitex Gossau hat sich mit dem Thema „Pflegende Angehörige“ auseinandergesetzt und verschiedene Unterlagen und Kriterien erarbeitet, die beschreiben, unter welchen Umständen eine solche Anstellung möglich wäre. Die entsprechenden Kriterien sind aber so umfassend, dass sie nur in Einzelfällen zur Umsetzung kommen könnten.

Kantone: Zürich: Im Postulat 288/2010 (Kantonsrat) betreffend «Anreize zur Förderung von pflegenden Angehörigen» wird Auskunft über mögliche Anreize zur Förderung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen zu Hause erwünscht, wobei nebst steuerlichen Abzugsmöglichkeiten auch Unterstützungsangebote und Beratung durch Fachpersonen usw. zu prüfen sind. Der Verband der Gemeindepräsidenten des Kantons Zürich wurde Mitte 2013 vom Regierungsrat eingeladen, zu diesem Postulat Stellung zu nehmen. Der leitende Ausschuss des Verbands der Gemeindepräsidenten hat sich wie folgt geäussert:

  • Oftmals fehlen daheim die notwendigen Infrastrukturen, um Angehörige bedarfsgerecht zu pflegen (behindertengerechte Gänge, Toiletten, Bäder, Lift, Zugang zur Wohnung generell etc.)
  • Es ist bekannt, dass Pflegende daheim bald an psychische und physische Grenzen stossen, da eine 24-Stunden-Betreuung über längere Zeit nicht angeboten werden kann.
  • Wie erfolgt die Abgrenzung zu normaler Unterstützung z.B. der Eltern, die von Kindern, Verwandten etc. durchaus erwartet werden darf, etwa wöchentliche Reinigung der Wohnung, Kochen, Einkaufen oder ähnliches?
  • Abzüge bei den Steuern oder Leistungen an Pflegende dürfen keinen Anreiz bieten, Angehörige auch daheim zu behalten, wenn die Pflege nicht tatsächlich im notwendigen Rahmen geleistet werden kann. Grundsätzlich ist es die Familienzusammengehörigkeit, die der Grund zur Pflege von Angehörigen sein soll. ln solchen Fällen wird in aller Regel keine Abgeltung erwartet.
  • Wer kontrolliert, dass die Pflege von Angehörigen tatsächlich im Interesse der Gepflegten erfolgt?
  • Wie werden zu pflegende Angehörige definiert? Bei Betagten besteht eine erhebliche Schwierigkeit zu definieren, wer unter dieser Kategorie zu verstehen ist (sind es alle Personen, die pensioniert sind?).
  • Es muss eine Gesamtkostenrechnung aufgezeigt werden. Ist es möglich, durch Einsparungen in Pflegeheimen, Altersheimen etc. die Mehrkosten bzw. Mindereinnahmen, die sich durch eine Umsetzung des Postulates ergeben, zu kompensieren?

Auf Grund dieser vielen offenen Fragen zeigt sich der Leitende Ausschuss der Gemeindepräsidenten im Kanton Zürich grundsätzlich skeptisch gegenüber einer Förderung von pflegenden Angehörigen im Rahmen von Anreizen und Steuerabzügen.

Graubünden: Der Kanton Graubünden hat kürzlich eine gesetzliche Grundlage geschaffen, wonach pflegende Angehörige unter bestimmten Bedingungen bei der Spitex angestellt werden können. Laut Art. 26 der Verordnung zum Krankenpflegegesetz des Kantons Graubünden können pflegende Angehörige bei der Spitex angestellt werden,

  • wenn sie mindestens den Pflegehelfer/-innenkurs des Schweizerischen Roten Kreuzes erfolgreich absolviert haben,
  • der Einsatz einer Langzeitsituation entspricht und die Anstellung auf mindestens 2 Monate angelegt ist
  • und sie noch nicht im AHV-Alter sind.

Ende Januar 2013 ist gegen diese Bestimmung allerdings eine Verfassungsbeschwerde eingegangen, die noch hängig ist. Inhalt der Hauptbeschwerde ist, dass Spitex-Betriebe nur Personen anstellen sollten, die sich ins betriebliche Konzept integrieren lassen.

Bund / Spitex Verband Schweiz: Bund: Da die Betreuung und Pflege von Angehörigen zu Hause zunehmend wichtiger wird, lässt der Bundesrat Massnahmen prüfen, welche die Rahmenbedingungen für die Angehörigen verbessern können. Der Bundesrat hat 2011 die Probleme erkannt, die für Angehörige entstehen, welche pflegebedürftige Familienmitglieder pflegen und betreuen. Er hat deshalb zur Erarbeitung von Lösungen eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt, welche das Bundesamt für Gesundheit leitet. In dieser Arbeitsgruppe arbeiten das Bundesamt für Justiz, das Bundesamt für Sozialversicherungen, das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, das Generalsekretariat des eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung sowie das Staatssekretariat für Wirtschaft mit.

Die Arbeitsgruppe «care and work» hat den Auftrag des Bundesrates, bis 2014 mögliche Massnahmen zur Verbesserung verschiedener Vereinbarkeitsproblematiken vorzuschlagen, die sich bei der Betreuung sowie bei der Pflege von Angehörigen ergeben. Ziel dieser Massnahmen ist es, die Rahmenbedingungen für die Übernahme der Pflege und Betreuung von Angehörigen so zu gestalten, dass ein Verbleib im Erwerbsleben unter Berücksichtigung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes möglich ist. Bei Erwerbsausfall sollen der Versicherungsschutz und die Altersvorsorge gewährleistet sein. Weiter gilt es zu prüfen, wie die Arbeit von Angehörigen im Rentneralter gesellschaftlich anerkannt werden kann.

Spitex Verband Schweiz: Der Spitex Verband Schweiz rät den Spitex-Organisationen grundsätzlich von der Anstellung von pflegenden Angehörigen ab, und nennt dazu die folgenden Hauptgründe:

  • Der Spitex Verband Schweiz ist aus pflegefachlichen Gründen und damit Qualitätsüberlegungen von der Anstellung von pflegenden Angehörigen nicht überzeugt. Die familiäre und emotionale Nähe von Gepflegten und pflegenden Angehörigen verunmöglicht die nötige professionelle Distanz. Empathie und Professionalität stehen sich im Weg. Daher operiert kein Arzt eine Angehörige, und keine Anwältin vertritt ihren Partner in einem Prozess. Das ist in den Standesregeln so empfohlen.
  • Bei der Anstellung der pflegenden Angehörigen sind viele arbeitsrechtliche und haftpflichtrechtliche Fragen ungeklärt. Wenn z. B. einer Angehörigen ein Pflegefehler passiert, ist dieser dann während der Arbeitszeit oder während der freiwilligen Arbeit passiert? Dies ist kaum beweisbar, weil viele kurze Pflegeeinsätze sich über den ganzen Tag verteilen. Die pflegende Angehörige ist oftmals 24 Stunden auf Pikett, resp. präsent, die Bezahlung aber beschränkt sich auf rund 2 Stunden pro Tag. Zudem sind nahe Verwandte in vielen Betriebshaftpflichtversicherungen explizit ausgenommen.
  • Angehörige werden ausschliesslich für einen Pflegefall in einem Kleinstpensum von durchschnittlich rund 2 Stunden angestellt. Das entspricht einer 20-25 %-Anstellung. Mit zwei Stunden Spitex-Arbeit verdient sich niemand den Lebensunterhalt. Was passiert, wenn der gepflegte Angehörige stirbt? Wird die Person dann von Spitex weiter beschäftigt oder steht sie ohne Arbeit da?

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hofft der Spitex Verband Schweiz, dass die öffentliche Hand die Spitex-Organisationen nicht generell zur Anstellung von pflegenden Angehörigen verpflichtet.

An der zum Thema „Pflegende Angehörige“ durchgeführten Zukunftskonferenz vom 2. September 2013 mit 100 Spitex-Repräsentant/-innen aus den Basis-Organisationen und den Kantonalverbänden war die Anstellung von pflegenden Angehörigen bei der Spitex denn auch weder thematisiert noch von den Basis-Organisationen gefordert worden.

Immerhin will der Spitex Verband Schweiz 2014 ein Rahmenkonzept „Angehörigenarbeit in der Spitex“ für die drei Spitex-Ebenen (Dachverband, Kanton, Basis-Organisation) erlassen.

Es war an der erwähnten Zukunftskonferenz unbestritten, dass die pflegenden Angehörigen vielfältige Entlastung, Beratung und Information brauchen, damit diese die volkswirtschaftlich unverzichtbare und wertvolle Arbeit über teilweise viele Jahre hinweg leisten können. Dabei seien Tages- und Nachtstrukturen nötig, wo Pflegebedürftige zu bezahlbaren Preisen wöchentlich einen halben Tag oder einen Tag verbringen könnten. Auch Angebote mit Ferienbetten seien nötig.

Gesamtbeurteilung – Anstellung pflegender Angehöriger

Die Stadt teilt die geäusserten Bedenken der Gemeindepräsidenten und des Spitex Verbandes Schweiz bezüglich der Anstellung von pflegenden Angehörigen.

Die Hauptschwierigkeiten liegen gleichermassen in den Themen:

  • «Nähe-Distanz»-Problematik zu Gepflegten (Empathie versus Professionalität)
  • Altersstruktur der pflegenden Angehörigen (meist Pensionsalter)
  • Schwierige Einbindung in die betrieblichen und personalrechtlichen Rahmenbedingungen der Stadt Uster: Ferienanspruch, Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall, Teilnahme an Teamsitzungen, Aus- und Weiterbildung, Einhaltung von Maximalarbeitszeiten, Ruhepausen etc.
  • Führungsfragen: Ablehnung interessierter Angehörigen, Rekrutierung, Weisungsbefugnis (Sanktionierung von Fehlverhalten, Schweigepflicht), beschränkte Einsatzmöglichkeit, Leistungserfassung (5 Minuten-Takt), Vertragsbeendigung usw.
  • Wahrung der betrieblichen Verantwortung, Versorgungsqualität sicherstellen
  • Hoher individueller Supportbedarf
  • Budgetierung der entstehenden Personalkosten (schwer voraussehbar)

Die Spitex beschäftigt auch Mitarbeitende mit kleinen Arbeitspensen. Diese Mitarbeitenden können flexibel bei verschiedenen Klienten eingesetzt werden und sind entsprechend sehr wichtig um Nachfragespitzen kurzfristig auffangen zu können. Demgegenüber würden pflegende Angehörige nur eine sehr spezifische Klientensituation abdecken, was in Hinblick auf eine sinnvolle Kosten-/Nutzenrechnung unverhältnismässig wäre.

Im Weiteren ist das Zeitbudget der Kostengutsprache durch die Krankenkassen bereits jetzt eng. Wenn also neben der Pflegetätigkeit noch zusätzliche Zeitaufwände für die regelmässige Begleitung und Überprüfung von Angehörigen dazu kämen, würde die bezahlte Pflegezeit für die Klienten umso kürzer. Oder die Pflegezeit verteuerte sich für den Betrieb, wenn zwei Personen für den gleichen Auftrag abgegolten werden müssten.

Wie erwähnt liegt das Durchschnittsalter pflegender Angehöriger derzeit bei 66 Jahren. Eine Anstellung oder Weiterbeschäftigung im Rentenalter (65. Altersjahr) ist nach geltendem Recht des Staatspersonals nicht zulässig. Aufgrund des städtischen Personalrechts würden sich schliesslich schwierige Fragen hinsichtlich der Beendigung des Anstellungsverhältnisses stellen. Generell zu beachten ist, dass das Anstellungsverhältnis des städtischen Personals öffentlich-rechtlicher Natur ist und weniger flexibel als in der Privatwirtschaft vertraglich geregelt werden kann.

Die Anstellung pflegender Angehöriger würde auch nicht zur Behebung der angekündigten Engpässe an Pflegepersonal dienen. Da pflegende Angehörige eine fachliche Begleitung benötigen, käme es nicht zu einem Ersatz an Mitarbeitenden, sondern zu einer Mehrbelastung. Für diese Begleitung, Befähigung und Überwachung der pflegerischen Tätigkeit der Angehörigen bräuchte es zusätzlich Fachkräfte, damit die Versorgungsqualität professionellen Kriterien genügt. Diese Support- und Coaching-Leistung bliebe aber unvergütet, da sie nicht in Rechnung gestellt werden kann. Fachleistungen wiederum (komplexe Grundpflege und Behandlungspflege) dürfen nur durch qualifiziertes Fachpersonal erbracht werden.

Greifende Massnahmen gegen Personalknappheit im Gesundheitswesen sind vielmehr die flächendeckende Erhöhung der Ausbildungsplätze, Konzepte und Programme zur Personalbindung und Attraktivitätssteigerung durch Personal-Förderung, Erhöhung der Wertschätzung, bessere Entlöhnung (schon in der Ausbildungszeit), Angebote verschiedener Arbeitszeitmodelle, Wiedereinsteiger/-innen-Programme etc.

Fazit

Der Postulantin ist zuzustimmen, dass im Bereich der Entlastung Angehöriger laufend weitere Verbesserungen geprüft werden sollen. Dabei sollte der Fokus aber klar auf die Reduzierung der Arbeitsleistung/-belastung zielen und nicht primär auf finanzielle Entschädigungen. Wie erwähnt, sollen weitere Möglichkeiten mit der neuen «Anlauf- und Beratungsstelle Alter» evaluiert werden. Ebenso tragen die im Abschnitt D beschriebenen geplanten Massnahmen wie Nachtspitex oder Tages-/Nachtwohnen in den Heimen Uster künftig zu einer noch breiteren Unterstützungspalette für die Angehörigen bei.

Der Blick über die Grenzen von Uster hat gleichzeitig gezeigt, dass sich Bund und Kantone ebenfalls mit dem Thema beschäftigen. So soll die vom Bundesrat beauftragte interdepartementale Arbeitsgruppe «care and work», welche Massnahmen prüft, die die Rahmenbedingungen für die pflegenden Angehörigen verbessern können, bis 2014 Resultate liefern. Es gilt, diese Grundlagen und Umsetzungskriterien auf Bundes- und Kantonsebene abzuwarten. Allenfalls ergeben sich Lösungen, die keine betrieblichen Verpflichtungen beinhalten, sondern auf kantonaler oder kommunaler Ebene organisiert werden können.

Auch die Masterarbeit «Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege» kommt zum Schluss: „Um die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege von Angehörigen zu verbessern, braucht es staatliches, zivilgesellschaftliches und individuelles Engagement sowie übergreifende Steuerungsmöglichkeiten, an denen zumindest Bund und Kantone beteiligt sind.“

Aus den genannten Gründen erscheint eine Anstellung pflegender Angehöriger bei den derzeitigen betrieblichen, ökonomischen, personalrechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen problematisch und ist abzulehnen.

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