Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

22. März 2024

Biber am Greifensee

Anfrage von Karin Niedermann

Ein kürzlicher Sonntags-Spaziergang am Greifensee hat einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, eine noch karge und trotzdem sehr reizvolle Landschaft, aber bei näherem Hinsehen nicht nur wegen der gefällten Eschen ein etwas tristes Bild. Aufgefallen ist nämlich insbesondere, wie entschlossen die Biber am Greifensee zu Werk gehen. Nicht nur dünne Baumstämme, sondern auch gestandene Baumkaliber werden von ihnen bearbeitet und sind gefallen oder werden bald fallen.

Wie wird es am Greifensee wohl in ein paar Jahren aussehen?

Ich stelle dem Stadtrat folgende Fragen:

  1. Wie gross ist (oder wird geschätzt) die Biberpopulation am Greifensee?
  2. Wie wird der ökologische Wert von Bibern beurteilt?
  3. Welche Überlegungen werden gemacht bzgl. Biberschutz vs Landschaftsschutz?
  4. Nach welchen Kriterien wird die Situation von der Stadt beurteilt bzgl. Impact der Biber?
  5. Wie wird die Situation insgesamt eingeschätzt und welche Konsequenzen haben die Beurteilungen?

Der Stadtrat beantwortet die Anfrage wie folgt:

Ausgangslage

Der Greifensee bildet das grösste Naturschutzgebiet des Kantons Zürich und ist durch die «Greifen­see Schutzverordnung» aus dem Jahre 1994 umfassend geschützt. Das Schutzgebiet beherbergt eine Vielzahl von Lebensgemeinschaften – darunter zahlreiche geschützte und besonders gefähr­dete Arten. Der Greifensee ist zudem eines von 25 Wasser- und Zugvogelgebieten von nationaler Bedeutung.

Der Biber ist durch das Jagdgesetz geschützt. Da sein Bestand in der Schweiz im Jahr 2020 gegen 4 000 Individuen betrug, gilt er aber gemäss der aktuellsten Roten Liste nicht mehr als gefährdet.

Als grösster Nager Europas gestaltet der Biber ganze Landschaften und schafft Lebensräume, die für die Natur und uns Menschen äusserst wertvoll sind. Wo der Platz knapp ist, kann dies auch zu Konflikten führen. Aufgrund dieses Konfliktpotentials haben der Bund und der Kanton Zürich Biber­fachstellen gegründet, welche die Biberpopulationen überwachen, Massnahmen und Strategien prüfen sowie in Konfliktfällen vermittelnd eingreifen können. Das Biber-Management und der Schutz des Greifensees sind in erster Line auf kantonaler und nationaler Stufe angesiedelt.

Zu Frage 1: Dazu hält der Bericht «Der Biber im Kanton Zürich - Bestand und Verbreitung des Bibers im Winter 2022» (S.15) folgendes fest:

«Mit fünf Biberrevieren hat sich am Greifensee ein guter Bestand etabliert. Weil ein Grossteil der Uferzone unter Schutz steht, ist es gut möglich, dass sich weitere Reviere bilden werden. Vom Greifensee aus hat der Biber die Mönchaltorfer Aa und den Tüfenbach besiedelt. Entlang dieser Bäche rechnen wir mit einer Verdichtung der Biberreviere. Zudem wird sich der Biber entlang weiterer Nebengewässer des Greifensees installieren.»

Zu Frage 2: Die Beurteilung einer Art nach ihrem ökologischen Wert ist grundsätzlich schwierig, da jede Art von sich aus einen (ökologischen) Wert besitzt. Durch das Fällen von Bäumen und Büschen, das Stauen von Bächen und das Graben von Bauten schafft der Biber eine sich ständig verändernde Landschaft. Vom Kleinsttümpel zum tiefen Teich, vom Totholzhaufen zur sonnendurchfluteten Waldfläche ent­stehen Lebensräume, die zahlreichen Lebewesen Nahrung, Fortpflanzungsplätze und Versteck­möglichkeiten bieten. Die Arbeit des Bibers ist umso wertvoller, weil in der Schweiz seit 1850 90 % der Auen verloren gingen. Sie sind mitunter die artenreichsten Lebensräume der Schweiz. Der massive Rückgang der Auen ist auf die Begradigung der Flüsse und die Trockenlegung von Feucht­gebieten im letzten und vorletzten Jahrhundert zurückzuführen.

Zu Frage 3: Der Biber ist Teil der einheimischen Tierwelt und prägt mit seinem Verhalten eine natürliche Kultur­landschaft. In einem Naturschutzgebiet – ein Gebiet, in dem sich vorrangig die Natur frei entwickeln soll und darf – werden Bäume nicht vor dem Biber geschützt. In Erholungszonen oder bei der Gefährdung von Menschen und Infrastruktur sind solche Schutzmassnahmen durch den Kanton in Einzelfällen hingegen möglich.

Hinsichtlich der Konflikte und Schäden an der Infrastruktur hält der Bericht «Der Biber im Kanton Zürich - Bestand und Verbreitung des Bibers im Winter 2022» folgendes fest:

«Mit der vermehrten Ausbreitung der Biber in kleinere, für ihn unattraktive Nebengewässer nimmt auch das Konfliktpotenzial zu. Zum einen errichten die Biber in solchen Gewässern häufig mehr Dämme, um ihren Lebensraum optimal zu gestalten (Erhöhung des Wasserstands). Im intensiven Landwirtschaftsland und in Siedlungsnähe kann dies Probleme mit Infrastrukturen und der Bewirt­schaftung des Kulturlandes verursachen (z.B. Grabschäden an Infrastrukturen, Rückstau in landwirt­schaftliche Entwässerungsleitungen und Meteorleitungen von Siedlungen).

Zum anderen vermögen die Biber ihre Reviere nicht dauerhaft zu halten, weil diese entweder quali­tativ ungenügend sind oder wegen Konflikten häufig in die Biberdämme eingegriffen wird. Den Bibern stehen aber oftmals keine alternativen Gewässer zur Verfügung, weil diese bereits besetzt sind. So sind sie gezwungen, in ungünstigen Gewässern zu verharren. Dies führt zu temporären Revieren, welche sich regelmässig im Gewässer nach oben bzw. unten verschieben. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass diese Faktoren zu einem hohen Beratungsaufwand führen, da sich die Konflikte mit den gängigen Instrumenten nur temporär lösen lassen. Entsprechend gestaltet sich das Bibermanage­ment intensiv und anspruchsvoll. Gleichzeitig sind auch der Aufwand für die zuständigen Gewässer­unterhaltsdienste (Gemeinden, Flurgenossenschaften, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich) und die daraus entstehenden Kosten hoch. Um solche permanenten Kosten abzu­wenden, sind langfristige Lösungen gefragt. Wirksame Instrumente sind die Ausscheidung eines breiten Uferstreifens bzw. die Festlegung eines ausreichenden Gewässerraums nach eidg. Gewässer­schutzgesetz, die Revitalisierung von Bächen oder auch einfach die Sammlung von Drainagen in einer Ringleitung. Diese Massnahmen sind aber nicht überall und vor allem nicht kurzfristig umsetzbar. Insbesondere in der Landwirtschaftszone müssen darum neue Instrumente geschaffen werden, um betroffene Landwirte für vom Biber beeinflusste landwirtschaftliche Nutzflächen, welche nicht mehr bewirtschaftet werden können, adäquat zu entschädigen. So können wir Konflikte reduzieren und gleichzeitig auch vom Biber profitieren. Denn wenn wir die Schaffenskraft des Bibers zulassen, können neue, für die Biodiversität wertvolle Lebensräume an Bächen entstehen.»

Zu Frage 4: Die Kriterien der Beurteilung ergeben sich aus der Gesetzgebung und der Zuständigkeit. Im Falle des Bibers liegt die Zuständigkeit beim Kanton und der Biber ist durch das Jagdgesetz geschützt. Die Beurteilung erfolgt immer fallweise und unter Federführung der zuständigen Stellen (Biberfachstelle und kantonale Fachstellen). Insbesondere in der Landwirtschaft versucht die Stadt Uster die Land­wirtschaftsbetriebe mit geeigneten Massnahmen möglichst pragmatisch zu unterstützen (z.B. Sicher­stellen von begrenzten Dammhöhen, Unterhalt von Elektrodrähten auf dem Damm). 

Zu Frage 5: Wie aufgezeigt, ist das «Bibermanagement» eine überkommunale Aufgabe. Die Stadt Uster (Leistungsgruppe Natur, Land- und Forstwirtschaft) ist in regelmässigem Austausch mit der Biber­fachstelle, der Fachstelle Naturschutz sowie der Bevölkerung, insbesondere den Landwirtschafts­betrieben. Die Leistungsgruppe Natur, Land- und Forstwirtschaft fungiert dabei als Bindeglied zwischen den kantonalen Fachstellen und der betroffenen Bevölkerung. Es gilt zudem anzumerken, dass der Biber mit seinen Bauten im und am Wasser wie kein anderes Lebewesen auf dem Stadtgebiet für den Slogan «Wohnstadt am Wasser» steht.

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