Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

04. März 2024

Eine Zukunft für das Stadtarchiv – keine tote Untere Farb: Kühlen Kopf bewahren und planen anstelle voreiliger Aktionen

Postulat von Balthasar Thalmann

Der Stadtrat wird eingeladen zu prüfen, wie für das Stadtarchiv der dringend nötige Standort zur Verfügung gestellt werden kann und welche Nutzungen in der Unteren Farb untergebracht werden können.

Begründung

Die Stimmberechtigten der Stadt Uster haben am 3. März 2024 den Projektierungskredit für die Untere Farb abgelehnt. Angesichts der Vorgeschichte ist eine Analyse des Resultats nötig und eine sorgfältige Auslegeordnung nötig. Vor allem sind nun keine Schnellschüsse zu machen. Denn unbestritten ist, dass das Stadtarchiv einen neuen Standort braucht. Unbestritten ist auch, dass die Nutzung der Unteren Farb mit der Umgebung abgestimmt sein muss. Seit den erfolgten Abstimmungen in den Jahren 2017 und 2019 hat sich in Bezug auf diese beiden Aspekte eigentlich nichts Grundsätzliches geändert. Vielmehr lag ein Vorprojekt vor, mit dem schärfere Konturen der Sanierung und des Einbaus des Stadtarchivs gezeichnet werden konnten. Dem Referendumskomi-tee ist es gelungen, das Vorhaben anhand dieses Projekts schlecht zu reden.

Mit diesem Nein fehlt nun aber ein Lösungsweg für das Stadtarchiv. Denn die im Abstimmungs-kampf erwähnten Alternativstandorte sind alles andere als einfach machbar. Ebenso fehlen konkrete Nutzungsideen für die Untere Farb. Wer beispielsweise meint, man könne ohne grössere bauliche Massnahme die Scheune für eine Kleinkunstbühne nutzen, irrt sich. Soll die Scheune anderem als der Beherbergung von guter Stadtparkluft dienen, so ist – wie für das Stadtarchiv angedacht – eine «Haus-in-Haus-Lösung» die wohl zweckmässige Nutzung. Das Haus ohne Nutzungsvorstellungen zu sanieren, macht jedoch wenig Sinn. Denn die Gefahr ist gross, dass Sanierungsmassnahmen getroffen werden, die künftigen Nutzungen entgegenstehen. Und was mit einem Haus ohne Zukunftsperspektiven passieren kann, kennen wir von der Villa am Aabach zur Genüge.

Der Stadtrat ist daher zu beauftragen, vor weiteren Entscheidungen die Planung für das Stadtar-chiv und die künftige Nutzung der Unteren Farb sorgfältig und ergebnisoffen aufzurollen und daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

Bericht und Antrag des Stadtrates

Ausgangslage

Mit dem Bauprojekt Untere Farb sollten folgende drei Ziele gemeinsam erreicht werden:

  1. Gebäudesanierung

  2. Neuer Standort Stadtarchiv

  3. Erweiterung Stadtpark mit Gastronomieangebot

Für diese Anforderungen wurde im März 2014 ein Projektwettbewerb durchgeführt. Dieser wurde vom Team «horisberger wagen architekten gmbh / stehrenberger archiktektur gmbh» gewonnen. Das Siegerprojekt bildete die Grundlage für die Erarbeitung eines öffentlichen Gestaltungsplans. Über diesen hat die Stimmbevölkerung zweimal abgestimmt. Schliesslich wurde er am 19. Mai 2019 mit 72 % genehmigt. Seit dem 3. April 2020 ist er rechtskräftig. Der Gestaltungsplan sieht für die Untere Farb eine öffentliche Nutzung und den Einbau des Stadtarchivs vor (GPV Art. 1 1+3 sowie Art. 5 1+2). Der Einbau einer einfachen Gastronomie ist möglich (GPV Art. 5 3).

Der Gemeinderat hat am 17. April 2023 die Weisung für den Projektierungskredit von 1 166 500 Franken behandelt. In der Debatte wurde die Weisung in zwei Punkten geändert:

  • Im Bauprojekt sollen die Mehrkosten für den Einbau einer Gastronomie (inklusive UG) separat ausgewiesen werden. Der Antrag stammte von der KBG und sollte die Option schaffen, zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls auf den Einbau der Gastronomie verzichten zu können.

  • Auf eine Unterkellerung der Scheune soll verzichtet werden. Dieser Antrag kam von der FDP-Mitte-Fraktion und sollte die Kosten reduzieren.

Der Rat hat die geänderte Weisung schliesslich mit 23:7 Stimmen angenommen und den Projek­tierungskredit bewilligt. Gegen diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen und es kam zur Volksabstimmung.

Am 3. März 2024 hat die Stimmbevölkerung den Projektierungskredit von 1 166 500 Franken mit 53.5 % abgelehnt. Im Abstimmungskampf wurden vom Referendums-Komitee folgende Argumente vorgebracht:

  • Hohe Kosten des Bauprojekts (12 590 0000 Franken)

  • Kein Stadtarchiv in der Unteren Farb

  • Kein Gastronomieeinbau durch die Stadt

  • Keine Büronutzung in der Unteren Farb

  • Beibehalten der (privaten) Wohnnutzung

Zum Abstimmungsresultat wurde keine Nachbefragung durchgeführt. Zum Nein dürfte die Kumu­lation mehrerer Gründe geführt haben. Es ist offen, in welchem Ausmass die finanziellen Aspekte (hohe Kosten) und die Nutzungsaspekte (kein Stadtarchiv, private Wohnnutzung, keine Büros, keine Gastronomie) zum Nein beigetragen haben. Da die Stimmbevölkerung der Nutzung bereits am 19. Mai 2019 mit 72 % deutlich zugestimmt hat, dürften vor allem die finanziellen Aspekte zum Nein geführt haben. Für diese Interpretation spricht auch die Debatte im Gemeinderat vom 17. April 2023, bei der das Kostenargument dominierte.

Unbestritten im Abstimmungskampf waren die Notwendigkeit der Gebäudesanierung und der Raumbedarf des Stadtarchivs. Die Stadtparkerweiterung und die Aufwertung des Aussenraums waren im Abstimmungskampf kein Thema.

Folgend werden unter den Kapiteln B–F im Sinne der gewünschten Auslegeordnung die einzelnen Aspekte des Projekts untersucht. Abschliessend werden im Kapitel G drei Lösungsoptionen präsen­tiert und bewertet.

Gebäudesanierung

Handlungsbedarf

Die Liegenschaft Untere Farb ist ein wichtiger Bestandteil der Industrielandschaft entlang des Aabachs. 1984 wurde sie ins Inventar der Denkmalschutzobjekte aufgenommen. Seit 2023 ist die Untere Farb ein überkommunales Schutzobjekt. Das Gebäude weist einen dringenden Sanierungs­bedarf auf. Die Fenster sind nicht dicht und nicht schlagregensicher. Alle Räume des Wohnhausteils sind in gebrauchstauglichem Zustand. Die Untersuchungen im Rahmen des Vorprojektes haben er­geben, dass insbesondere der Scheunenteil auf instabilem Grund steht, so dass ein neues Funda­ment erstellt werden muss. Ebenso muss der Dachstuhl teilweise ersetzt werden. Die unebenen Dachflächen weisen ein erhebliches Risiko auf für Undichtigkeiten und Beeinträchtigungen der Konstruktionen, sowie für Fäulnis und Pilzbefall. Bei einer weiteren Verschlechterung des Zustands muss auf die Nutzungen dieser Räume und Flächen verzichtet werden. Der Gebäudeteil müsste durch geeignete Abschrankungen für den Zutritt gesperrt werden.

Situation

Aktuell wird der Wohnhausteil an eine Familie vermietet. Nur ca. vier Räume sind mit einem Kachel­ofen beheizbar. Diese private Wohnnutzung entspricht nicht den Vorschriften des Gestaltungsplans. Im Sinne der Besitzstandsgarantie ist eine private Wohnnutzung aber zulässig, bis für ein Bau­projekt eine Baubewilligung nötig wird (vgl. Anfrage 552/2023).

Die Scheune beinhaltet Lager und Garagen, welche an Dritte vermietet werden. Eine Fläche wird u.a. als Lager für die Weihnachtsbeleuchtung verwendet.

Die Gebäudesanierung ist aufgrund des Denkmalschutzes, des Baugrunds und der Lage am Aabach komplex und anspruchsvoll. Neben den Vorschriften des Gestaltungsplans müssen auch die Auf­lagen der Denkmalpflege und des Gewässerschutzes (AWEL) eingehalten werden.

Alternativen

Für die nötigen Sanierungsarbeiten gibt es keine Alternativen. Aufgrund der Selbstbindung ist die Stadt Uster verpflichtet, das Schutzobjekt zu schonen, zu schützen und zu erhalten (PBG, § 204).

Die Stadt könnte sich allerdings nur auf den Erhalt des Gebäudes beschränken und auf einen Aus­bau der Scheune verzichten. Bei einer solchen Sanierung könnte die Scheune weiterhin als Lager für die Erfüllung öffentlicher Zwecke genutzt werden (z.B. Lager für die Weihnachtsbeleuchtung). Im ehemaligen Wohnteil wären öffentliche Nutzungen denkbar, so zum Beispiel Arbeitsräume der Verwaltung oder Wohnungen zur Erfüllung öffentlicher Zwecke.

Finanzen

Für die Sanierung des inventarisierten Gesamtgebäudes – ohne spezifische Nutzereinbauten –werden in der Abstimmungsweisung vom 3. März 2024 insgesamt 5 Millionen Franken als gebun­dene Kosten ausgewiesen (+/- 15%).

Neuer Standort Stadtarchiv

Handlungsbedarf

Die Notwendigkeit für neue Räume für das Stadtarchiv ergibt sich aus mehreren Gründen. Das Archiv ist auf mehrere Standorte verteilt, was eine ineffiziente Bewirtschaftung mit hohem Logistik­aufwand zur Folge hat. Zudem werden in den bestehenden Räumen die konservatorischen Mindestanforderungen nicht erreicht. Fremdleitungen und schlecht isolierte Aussenwände stellen ein Sicherheitsrisiko dar und führen immer wieder zu Feuchtigkeitsproblemen. Diese Situation wurde vom Bezirksrat bereits 2013 beanstandet. Mittelfristig gibt es auch zu wenig Archivfläche. Schliesslich entsprechen die Arbeitsplätze der Archivmitarbeitenden nicht dem Arbeitsgesetz. Sie sind im Keller, haben kaum Tageslicht und keine Sicht ins Freie. (ArGV 3, Art. 24 Abs. 5).

Situation

Die konservatorische Situation hat sich durch einen Wasserschaden 2022 und 2023 beim Standort Stadthaus verschärft. Dieser konnte bestmöglich behoben werden, stellt aber bei grossen Regen­mengen weiterhin eine Gefahr dar. Die Flächenproblematik konnte in der Zwischenzeit durch Er­schliessungsarbeiten, Kassierungen und eine zusätzliche Rollregallageranlage (240 Lfm) an der Zürichstrasse 7 entschärft werden. Weiter akzentuiert hat sich jedoch die Arbeitsplatzsituation. Bisher akzeptierte das Personal mit der Perspektive auf den Umzug in die Untere Farb die Arbeits­plätze im Keller. Nun muss zeitnah eine neue Lösung oder ein Provisorium gefunden werden.

Das Stadtarchiv umfasst die historische Überlieferung der Stadt Uster, für deren Führung eine gesetzliche Pflicht besteht (Archivgesetz § 6), die Paul-Kläui-Bibliothek (Ortsgeschichte) und das Kunstarchiv.

Alternativen

Das Raumproblem des Stadtarchivs liesse sich auch an einem anderen Standort lösen. Der zentrale Standort in der Unteren Farb wäre vor allem für die beabsichtigte Aufwertung der Paul-Kläui- Bibliothek mit Lesesaal und Arbeitsplätzen für Studierende und Forschende von Vorteil. Hierfür besteht aber kein gesetzlicher Auftrag.

2012 wurden in einer Standortstudie verschiedene Archivstandorte untersucht. Nach einem ersten Workshop verblieben folgende Optionen: Stadthaus (unterirdisch), Oberlandstrasse (Stadthaus West), Zeughaus (K1, K2), Untere Farb, ZKB (Freiestrasse). Von diesen Optionen sind heute nur noch die Untere Farb oder ein Neubau unter dem Stadthausplatz möglich. Geprüft werden könnte allenfalls ein Projekt auf dem Westteil des Zeughausareals. Dieses befindet sich aber nicht im städtischen Besitz, sondern wurde von der armasuisse im Baurecht übernommen und soll im Unterbaurecht weitergegeben werden.

Die vom Referendums-Komitee in der Abstimmungsweisung vom 3. März 2024 genannten Alter­na­tivstandorte in den städtischen Liegenschaften Zeughaus und Freiestrasse sind bereits durch andere Nutzungen belegt und stehen nicht zur Verfügung. (vgl. Anfrage 564/2024).

Heute verfügt die Stadt über keine eigenen Gebäude, die für ein Archiv genutzt werden könnten. Um der städtischen Liegenschaftsstrategie zu entsprechen und Fremdmieten zu verhindern, musste entweder ein geeignetes Gebäude gekauft werden oder ein Neubau auf einer städtischen Parzelle erstellt werden.

Als dritte Option könnte eine Unterbringung in einer Fremdliegenschaft geprüft werden, was aller­dings der städtischen Liegenschaftsstrategie widersprechen würde. Der Stadt wurden nach der Abstimmung vom 3. März 2024 Räumlichkeiten in der ehemaligen Käserei Roth an der Wermats­wilerstrasse 8b angeboten. Diese Räume sind sofort verfügbar und könnten für 20 Jahre gemietet werden mit der Option auf Verlängerung. Sie entsprechen den Bedürfnissen und Sicher­heits­aspekten des Stadtarchivs. Die gesetzlichen Auflagen könnten erfüllt werden. Der Standort liegt 1 Kilometer vom Bahnhof und Stadthaus entfernt. Für die Besuchenden der Paul-Kläui-Bibliothek könnte dies eine Verschlechterung darstellen. Dieser liesse sich teilweise kompensieren, wenn die ortsgeschichtliche Sammlung vermehrt digital bereitgestellt würde. Die Käserei Roth könnte auch als temporäre Sofortmassnahme geprüft werden, bis eine eigene Lösung vorliegt.

Finanzen

Die Kosten für die Realisierung eines eigenen Archivs an einem anderen Standort müssten mittels Studienauftrag neu ermittelt werden. Bei der Standortstudie aus dem Jahr 2012 wurden für ein unterirdisches Archiv beim Stadthaus Kosten von 4 Millionen Franken veranschlagt (+/– 25%) Teuerungsbereinigt würde dies 2024 einem Betrag von 4.6 Millionen Franken entsprechen. (Bau­preisindex, Zürich, April 2013: 104.2 / April 2024: 120.7). Zudem ist mit zusätzlichen Kosten für arbeitsgesetzkonforme Arbeitsräume zu rechnen. Bei einer Investition von 5 Millionen Franken würden die Kapitalfolgekosten (Zinsen 2%, Abschreibung 33J) und die betrieblichen Folgekosten (2% + 1% Gebäudeunterhalt) zusammen rund 450'000 Franken betragen.

Gemäss der Offerte der Roth-Management AG vom 10. September 2024 würden die Mietkosten der Arbeitsräume inkl. Paul-Kläui-Bibliothek rund 50 000 Franken pro Jahr betragen. Hinzu kommen die Mieten für die Lager- und Nebenflächen von rund 25 000 Franken. Für bauliche Massnahmen, Um­zug und den Einbau der Archivregale wäre mit Investitionskosten im sechsstelligen Bereich zu rech­nen. Die Option «Käserei Roth» wurde den Finanzhaushalt und die Investitionsrechnung der Stadt somit deutlich weniger belasten als ein eigenes Bauprojekt.

Erweiterung Stadtpark

Handlungsbedarf

Der Handlungsbedarf für die Erweiterung des Stadtparks und die Gestaltung des Aussenraums ergibt sich in erster Line aus dem Gestaltungsplan. Dieser will, dass der Freiraum der Unteren Farb der Öffentlichkeit dient und die Farbwiese eine Erweiterung des bestehenden Stadtparks darstellt (GPV Art.12). Sowohl Scheune und Umgebung befinden sich zudem im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS). Die für das Ortsbild wesentliche Vegetation und Altbauten müssen bewahrt und störende Veränderungen beseitigt werden. Weiter ist ein Grossteil der Fläche auch im kantonalen Inventar der schutzwürdigen Orts­bilder von überkommunaler Bedeutung (KOBI) als wichtiger Freiraum enthalten.

Situation

Die Aussenfläche wird aktuell durch das GF Liegenschaften (Farbwiese), durch die Wohnhaus­mietenden (Bäuerinnengarten) und die Abteilung Bau (Spielplatz und Wege) bewirtschaftet.

Alternativen

Zur Erlangung der Baubewilligung muss ein Bauprojekt für die Untere Farb die Auflagen des Gestal­tungsplans erfüllen. Mit einem Bauprojekt muss auch die Aussenraumgestaltung gemäss Gestal­tungsplan aufgewertet werden. Ein Verzicht auf die Aussenraumgestaltung wäre nur möglich, bei Verzicht auf ein Bauprojekt oder bei einer Änderung des Gestaltungsplans.

Finanzen

Für die Umgebungsarbeiten wurden in der Abstimmungsweisung 881 600 Franken (+/- 15 %) aus­gewiesen.

Gastronomieangebot

Handlungsbedarf

In der Bevölkerungsumfrage 2023 liegt Uster bei den Angeboten an Restaurants, Cafés oder Bars unter dem Benchmark. Aus dieser niedrigen Bewertung lässt sich aber kein Handlungsbedarf ableiten, weil es keine gesetzliche Grundlage für die Bereitstellung eines Gastronomieangebots gibt. Ein Handlungsbedarf entsteht erst durch einen politischen Beschluss, wie er z.B. am 22. Januar 2024 durch den Gemeinderat zum Restaurant Schifflände gefällt wurde. Für den Einbau einer Gastronomie in der Unteren Farb ist dieser politische Wille aber nicht zu erkennen.

Situation

Für die öffentliche Ausschreibung «Nutzung und Trägerschaft Untere Farb, Wohnteil und Umge­bung» vom 21. Juli 2021 hat die Wettbewerbsjury das Gastronomiekonzept von Anja Schmidhuber und Max Burkert aus Uster als Siegerprojekt ausgezeichnet. Das eingereichte Konzept wurde zu­sätzlich durch einen externen Experten überprüft. Das Konzept und die Überprüfung kamen zum Schluss, dass für einen wirtschaftlichen Gastromiebetrieb ein minimales Angebot an Speisen und Getränke nötig ist, wofür es einer Küche mit Basisausrüstung inkl. Abluft bedarf. Eine einfachere Gastronomie ohne Küche und ohne Angebote im Winter und bei schlechtem Wetter lasse sich gemäss Experten nicht wirtschaftlich betreiben. Passend zu dieser Einschätzung fanden sich im Ausschreibungsverfahren auch keine Anbieter, die eine Gastronomie ohne Küche führen wollten.

Alternativen

Anstelle einer Gastronomie könnte im Sommer ein temporäres, mobiles Angebot ermöglicht wer­den, so zum Beispiel mittels Food-Truck. In den öffentlichen Räumen des Stadtarchivs könnte ein Kaffeeautomat installiert werden.

Finanzen

Bei einem Verzicht auf eine Gastronomie können die Baukosten reduziert werden. Insbesondere könnte auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden. In der Abstimmungsweisung werden die Mehr­kosten für die Gastronomie inkl. Lüftung und Fundament Scheune mit 2 527 000 Franken ausge­wiesen. Ein Fundament für die Scheune müsste allerdings auch ohne Unterkellerung erstellt werden müssen. Die tatsächliche Kosteneinsparung müssten durch eine Ergänzungsstudie ermittelt werden. Tiefere Baukosten führen zu tieferen Kapitalfolgekosten. Gleichzeitig können aber auch keine Pacht­einnahmen verbucht werden.

Gestaltungsplan / Alternative Nutzungen

Handlungsbedarf

Der Gestaltungsplan ist eine Sonderbauvorschrift, welche Abweichungen von der Bau- und Zonen­ordnung ermöglicht. Mit ihm werden unter anderem die Zweckbestimmung und Nutzungsweise von Bauten bindend festgelegt. Der gültige Gestaltungsplan Untere Farb ist eng gefasst und sieht eine öffentliche Nutzung und den Einbau des Stadtarchivs in der Scheune vor. Handlungsbedarf an einer Änderung des Gestaltungsplans würde bestehen, wenn an diesen Zweckbestimmungen und Nutzungsweisungen etwas geändert werden sollte, wenn also anstelle einer öffentlichen Nutzung eine private Wohnnutzung beabsichtigt wäre, wie dies vom Referendums-Komitee gefordert wurde.

Situation

Der öffentliche Gestaltungsplan «Untere Farb» wurde am 19. Mai 2019 mit 72% genehmigt und ist seit dem 23. April 2020 rechtskräftig. Wie alle Sonderbauvorschriften könnte der Gestaltungsplan frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten aufgehoben werden, wenn weder eine wesentliche Bau­tätigkeit eingesetzt hat, die von den eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch macht, noch entspre­chende ernsthafte Bestrebungen nachgewiesen werden. (PBG § 82). Neben dem rechtlichen Aspekt müsste auch geklärt werden, ob aus politischer Sicht ein deutlicher Volksentscheid nach 5 Jahren bereits wieder aufgehoben werden kann.

Alternativen

Aufgrund der eng gefassten Vorgaben im Gestaltungsplan ist es nicht eindeutig, ob eine alternative Nutzung ausserhalb der erwähnten Verwaltungs- und Dienstleistungsnutzung, Archivnutzung oder Gaststätte (GPV Art.5) rechtlich überhaupt realisierbar ist. Eindeutig ist aber, dass es sich dabei um öffentliche Nutzungen handeln müsste. Diese öffentlichen Nutzungen müssten mit dem Denkmal- und Gewässerschutze vereinbar und auch finanzierbar sein. Bisher konnten keine geeigneten alter­nativen Nutzungen ausgemacht werden. Bereits geprüft wurde zum Beispiel die Nutzung durch das Familienzentrum, was aber aus denkmalpflegerischen Gründen abgelehnt wurde. Zudem sind die teilweise engen Räume und Treppen nicht geeignet für Kinderwagen und einen barrierenfreien Betrieb. Die Gesellschaft für Natur und Vogelschutz (GVNU) hat sich am 21. November 2021 be­worben, um im Erdgeschoss das Naturzentrum «Naturama» mit Wechselausstellungen zu betrei­ben. Für diese Idee konnte aber kein überzeugender Finanzierungsplan vorgelegt werden. Zudem empfahl die städtische Fachstelle «Natur, Land- und Forstwirtschaft», einen Ausstellungs­betrieb besser in der Natur zu realisieren, wie z.B. bei der Naturstation Silberweid.

Finanzen

Sollte der Gestaltungsplan aufgehoben werden, müssten auch die bisherigen Planungskosten abge­schrieben werden. Für das Vorprojekt wurden bisher 320 000 Franken investiert. Hinzu kommen die Kosten für den Projektwettbewerb von 78 000 Franken, für die Ausarbeitung des Gestaltungsplans und für die bisherigen Volksabstimmungen.

Lösungsoptionen

Grundsätzlich ergeben sich drei Lösungsoptionen:

  1. Reduktion: Kosteneinsparung durch Verzicht auf die Gastronomie

  2. Trennung: Gebäudesanierung und anderer Standort fürs das Stadtarchiv

  3. Neustart: Aufheben des Gestaltungsplans und neue Nutzungsdiskussion

Die drei Optionen werden folgende gemäss der Auslegeordnung (Kapitel B-F) bewertet:

Option «Reduktion»
Sanierung des Gebäudes, Erweiterung des Stadtparks und Einbau des Stadtarchivs wie ursprünglich geplant. Kostenreduktion durch den Verzicht des Gastronomieeinbaus (kein Untergeschoss, keine Lüftung, keine Küche). Die Nutzung des ehemaligen Wohnteils bleibt vorerst offen. Möglich ist nur eine öffentliche Nutzung. Diese Option würde dem Entscheid des Gemeinderates vom 17. April 2023 entsprechen.

Stärken/Chancen:

- Keine Abschreibung der bisherigen Projektausgaben

Schwächen/Risiken:
- Unbekannte Nutzung Wohnteil

Nächste Schritte:

- Kredit Anpassung Vorprojekt

- Kredit für Sofortmassnahmen Stadtarchiv und Gebäudesanierung

- Umsetzung Sofortmassnahmen Stadtarchiv, Gebäudeerhalt

- Projektierungskredit

- Baukredit (Volksabstimmung)

- Umsetzung Bauprojekt

Option «Trennung»
Sanierung des Gebäudes und Erweiterung des Stadtparks ohne Einbau des Stadtarchivs und ohne Gastronomie. Das Stadtarchiv wird an einem neuen Ort realisiert, z.B. in der Käserei Roth. Die Nutzung der Scheune und des ehemaligen Wohnteils bleiben offen. Möglich ist in beiden Gebäude­teilen nur eine öffentliche Nutzung. Diese Option würde teilweise den Forderungen des Refe­rendums-Komitees entsprechen (kein Stadtarchiv und keine Gastronomie in der Unteren Farb).

Stärken/Chancen:

- schnelle Lösung für das Stadtarchiv bei Option «Käserei Roth»

- schnelle Sanierung des Gebäudes als gebundene Kosten

- Kostengünstigste Option mit den geringsten Jahreskosten
- Entlastung der Investitionsrechnung

Schwächen/Risiken:

- unbekannte Nutzung des Wohnteils

- lediglich Lagernutzung in der Scheune

- Gefahr eines unbelebten Areals «Untere Farb»

- weniger zentraler Archivstandort

- Widerspruch zur Immobilienstrategie (Fremdmiete)

Nächste Schritte:

- Kredit für Einbauten und Umzug Käserei Roth, Budgetierung der jährlichen Mietkosten

- Kredit Anpassung Vorprojekt

- Umsetzung Option Käserei Roth / Sofortmassnahmen Gebäudesanierung

- Projektierungskredit (gebundene Ausgaben)

- Baukredit (gebundene Ausgaben)

- Umsetzung

Option «Neustart»
Sistierung und Abschreibung des Projekts. Festlegung einer neuen Nutzung und Ausarbeitung eines neuen Gestaltungsplans. Planen eines neuen Bau- oder Sanierungsprojekts. Das Stadtarchiv wird an einem neuen Ort realisiert, z.B. in der Käserei Roth. Mit dieser Option könnte den Forderungen des Referendums-Komitees entsprochen werden (private Wohnnutzung in der Unteren Farb, aber kein Stadtarchiv und keine Gastronomie).

Stärken/Chancen:

- Für die Untere Farb können neue Nutzungsoptionen geprüft werden

- Schnelle Lösung für das Stadtarchiv bei einem Umzug in die Käserei Roth

Schwächen/Risiken:

- Langes Planungsverfahren

- Abschreibung der bisherigen Planungskosten

- Teure Sofortmassnahmen (Stadtarchiv, Gebäudesanierung)

Nächste Schritte

- Kredit für Sofortmassnahmen Stadtarchiv und Gebäudesanierung

- Umsetzung Sofortmassnahmen Stadtarchiv, Gebäudeerhalt

- Politischer Prozess zur Festlegung einer neuen Nutzung

- Aufheben des bestehenden Gestaltungsplan- Festsetzen eines neuen Gestaltungsplans

- Kredit Vorprojekt

- Projektierungskredit

- Baukredit (Volksabstimmung)

- Umsetzung

Fazit

Aus Sicht des Stadtrates liegt die Herausforderung bei der Nutzungsfrage. Alle bisher geprüften Nutzungsoptionen für die Untere Farb sind aus rechtlichen, finanziellen, baulichen oder denkmal­pflegerischen Gründe nicht umsetzbar – oder sind politisch nicht mehrheitsfähig. Eine weitere Herausforderung liegt in der Komplexität des Projektes. Die verschiedenen Ziele lassen sich offen­bar nicht im gleichen Projekt erreichen. Der politische Widerstand zu einzelnen Aspekten hat sich am 3. März 2024 zu einer ablehnenden Mehrheit kumuliert. Insofern erscheint es sinnvoll, die Komplexität zu reduzieren und die einzelnen Ziele getrennt zu erreichen. Der Stadtrat favorisiert deshalb die Option «Trennung». Für das Stadtarchiv ist der Standort «Käserei Roth» eine gute und umsetzbare Option. Sie entlastet zudem die Investitionsrechnung und verursacht die geringsten Folgekosten. Allerdings beinhaltet sie das Risiko, dass für die «Untere Farb» keine öffentliche Nutzung gefunden werden kann, welche zur erhofften Belebung des Areals führt.

Der Stadtrat überlässt es dem Gemeinderat, zu den drei vorliegenden Optionen Stellung zu be­ziehen. Aufgrund der Diskussion wird er anschliessend das Projekt anpassen und die dafür nötigen Weisungen dem Rat wiederum zur Beschlussfassung vorlegen.

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